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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Fahnenstange gehängt, gefesselt und bepisst. Alles.
    Erik und Pierre hatten die ganze Nacht hinter ihrer Schreibtischbarrikade gesessen und gewartet, aber niemand war gekommen.
    Es ging erst eine Woche nach der Klosternacht los. Pierre wurde jeden Abend zum Peppis geholt, sie hatten ihn an Blinkfeuers Tisch versetzt. Wenn Pierre allein über den Schulhof ging, und manchmal sogar dann, wenn er und Erik zusammen über den Schulhof gingen, kamen Ratis auf ihn zu, gaben vor, ihn auf Rauch zu untersuchen und kniffen ihn in irgendeinen Speckwulst oder ohrfeigten ihn. Schritt für Schritt wurde die Gewalt gegen Pierre verschärft. Niemals richtete sie sich gegen Erik, immer nur gegen Pierre.
    Im November musste Pierre dreimal nach dem Ein-Stich-Schlag zum Nähen. Inzwischen verweigerte er die Peppis wieder, worauf er abermals ins Karo geschleppt wurde, es war alles wieder beim Alten und eben doch neu.
    Mehrere Jungen überfielen ihn auf dem Schulhof und zogen ihm die Hosen aus. Rissen ihm die Unterhose weg und spielten damit Ball, während sie über seinen nackten Unterleib Witze rissen.
    Sie traten ihm bei jeder Gelegenheit in den Hintern, sie rissen ihm die Brille weg und warfen sie in hohem Bogen über den Schulhof, sie versetzten ihm Schläge auf den Kopf und heftige Ellbogenstöße in die Nieren, wenn sie auf der Treppe zum Speisesaal an ihm vorbeigingen, sie kniffen ihn in die Nase und stießen ihm das Knie in den Unterleib, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Manchmal gab es drei oder vier Nächte hintereinander eine Razzia in Eriks und Pierres Zimmer, dann drehten sie Pierres Bett um und beschmierten es mit Zahnpasta und anderem, während sie sorgfältig vermieden, irgendetwas zu berühren, das Erik gehörte.
    Später, im November, erreichte Erik ein neues Verhandlungsangebot von Seiten des Fachs. Natürlich war es ein inoffizieller Vorstoß, auf den er sich niemals berufen könnte und den sie im Zweifelsfall rundweg leugnen würden. Die gewählten Vertreter des Fachs sahen, so hieß es, Grund zu der Annahme, dass der Rat unter Umständen bereit sein könnte, Pierre nicht mehr zu schikanieren. Aber das erfordere eben eine Gegenleistung. Ob Erik sich denken könne, welche?
    Doch, aber die Antwort sei Nein.
    Sei das nicht unsolidarisch seinem Kumpel gegenüber?
    Ja, schon, es sei widerlich. Die Antwort sei trotzdem Nein.
    Aber Erik war sich durchaus nicht mehr so sicher. Was spielte es für eine Rolle, wenn Silverhielm ihm ein einziges Mal auf den Kopf schlagen durfte? Das Herbsthalbjahr ging schon dem Ende entgegen, bald würde der erste Schnee fallen. Dann die Weihnachtsferien und hinterher noch ganze fünf Monate, das letzte Halbjahr. Fünf Monate Kapitulation, was machte das. Und wie konnte er wissen, dass die andere Seite die angedeutete Abmachung einhalten würde? Wenn Erik zeigte, dass sie seinen schwachen Punkt gefunden hatten, was sollte sie dann daran hindern, Pierre immer weiter zu quälen? Wäre es nicht ganz selbstverständlich, dass sie versuchen würden, einen Verstoß Eriks gegen § 13 zu erzwingen? Wenn er sich jetzt geschlagen gäbe, würden sie denken, dass sie die richtige Methode gefunden hatten, und wenn sie noch eine Weile weitermachten, würde Erik am Ende doch einen Rati schlagen und alles wäre zu Ende.
    Man konnte nicht sicher wissen, ob sie so dachten. Vielleicht würden sie sich wirklich zufrieden geben, wenn Erik in Zukunft für ihre Peppis den Kopf senkte, vielleicht würden sie sich sagen, dass sie endlich gewonnen und Gesetz und Ordnung wieder eingeführt hätten. Pierre wurde zu sehr gequält, und ihm war deutlich anzumerken, dass er das auf Dauer nicht aushalten würde.
    »Das hier macht mich wahnsinnig, Pierre. Als sie mit diesem Verhandlungsangebot gekommen sind, hab ich so getan, als sei das überhaupt kein Thema, noch nicht mal das Nachdenken wert. Aber ich halt das nicht aus, was sollen wir machen?«
    »Ich seh das genau wie du. Wenn du aufgibst, bin ich nur noch schlimmer dran. Bis sie dich über die Grenzen getrieben haben und du von der Schule fliegst.«
    »Ja, aber dann … nein, man kann so was nicht sicher wissen.«
    »Natürlich nicht.«
    »Wir müssen wenigstens versuchen, darauf einzugehen.«
    »Nein, wir müssen versuchen, Zeit zu gewinnen. Ich fahre in vierzehn Tagen in die Schweiz, vielleicht noch früher. Es macht nichts, wenn ich die letzten Schultage verpasse, ich bin sowieso der Beste in der Klasse. Dann verbring ich erst mal die Weihnachtsferien bei meinem Vater.

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