Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Wir bleiben nicht in Genf, wo er arbeitet, sondern wollen zum Skifahren nach Zermatt.«
    »Dann komm ich auch nach Zermatt. Ich hab immer noch fast sechstausend auf meinem Postsparbuch, und meinen Pass hab ich hier in der Schule. Ich muss nur bis zum Ende des Halbjahres warten.«
    »Ich weiß nicht, ob du bei uns wohnen kannst. Von mir aus natürlich, aber ich muss erst meinen Vater fragen.«
    »Das spielt keine Rolle, ich hab ja Geld, ich wohne im Hotel, du besorgst mir ein Zimmer, bevor ich komme.«
    »Ja, und so gewinnen wir Zeit. Später kriegen sie die Sache vielleicht satt, vielleicht glauben sie dann doch, dass ihre Methoden bei dir nicht wirken.«
    »Schaffst du noch zehn Tage?« »Ich glaub schon. Wenn man jeden Tag ein Kreuz an die Wand malt, sieht man, wie man dem Ende immer näher kommt.«
    »Mm. Aber was wird im Frühling?«
    »Das werden wir dann sehen.«
    Es folgten zehn unbeschreibliche Tage für Pierre, bis er endlich im Taxi zum Bahnhof saß. An der Wand über seinem Bett gab es zehn diskrete kleine Kreuze, die er mit spitzem Bleistift gezeichnet hatte.
    Zermatt lag am Fuß des beängstigenden Matterhorns. Zu Heiligabend folgten sie der verschneiten Loipe ein Stück über die letzte Seilbahnstation hinaus. Das Sonnenlicht ließ die weißen Gipfel funkeln, die Aussicht war wunderschön. Pierre nannte einige der anderen Berge. Ganz hinten lag das Weißhorn, dann kamen das Breithorn, der Lyskamm und gleich daneben Kastor und Pollux. Auf der anderen Seite des Monte Rosa lag Italien. Aber diese Berge waren alle nichts gegen das Matterhorn.
    Sie schauten zum Gipfel hoch und schwiegen lange.
    »Einmal werde ich auf diesen Gipfel steigen«, sagte Erik.
    »Du stürzt dich zu Tode, wenn du das versuchst.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber wenn ich oben bin, werde ich mich hinstellen und den Ratis zurufen: UND JETZT HOLT MICH DOCH!«
    Das Echo rollte an dem weißen Hang hinab. Tief unten lag Zermatt wie die Weihnachtsdekoration einer feinen Konditorei in Stockholm.
    »Ich würde eigentlich gern Schriftsteller werden«, sagte Pierre, »aber vermutlich werde ich irgendwas, das mit Zahlen und Geschäften zu tun hat. Was willst du werden?«
    »Rechtsanwalt«, antwortete Erik.
    In der ersten Woche nach den Weihnachtsferien ließen die Ratis Pierre in Ruhe. Aber in der zweiten Woche machten sie da weiter, wo sie vor Weihnachten aufgehört hatten. Pierre wurde bei jeder Mahlzeit mehrere Male zu Peppis befohlen. Sie schlugen ihn jeden Tag, und jeden Abend gab es eine Razzia, bei der Eriks Zimmerhälfte nicht angerührt wurde. Als Erik am Samstagabend aus dem Arrest kam, fand er Pierre mit geschwollenem Auge vor. Pierre lag auf dem Bett, sein Kissen war blutüberströmt.
    »Nicht so schlimm«, sagte Pierre. »Nur ein bisschen Nasenbluten.«
    »Das geht nicht so weiter, Pierre, das ist unerträglich.«
    »Aber man kann sich solchen Schweinen nicht unterwerfen.«
    »Manchmal muss man es vielleicht doch. Wenn es zu viele sind. Manchmal gewinnen die Schweine. Die Römer haben Spartakus besiegt.«
    »Aber wir können uns das doch noch ein wenig überlegen? Vielleicht fällt uns eine Lösung ein?«
    »Ich glaub nicht, es gibt noch nur zwei Möglichkeiten. Entweder geben wir auf, oder wir schlagen sie zu Brei und fliegen von der Schule, eine andere Alternative haben wir nicht.«
    »Dann wirst du nie Anwalt werden können, wenn du fliegst, meine ich.«
    »Nein, aber was wär ich für ein Scheißanwalt, wenn ich nicht einmal versuchte, meinen besten Freund zu verteidigen?«
    »Wir überlegen uns die Sache noch ein wenig, ja?«
    »Ja, aber nur noch ein wenig.«
    Erik hatte einen ganzen Sonntag im Arrest, um sich die Sache zu überlegen.
    Vom Sommerhalbjahr waren noch fünf Monate übrig, war das eine kurze oder eine lange Zeit? Für Pierre könnte sie endlos lang werden. Für Erik waren es nur fünf Monate und danach wäre Schluss für immer. Ein paar Peppis und anderer Kleinkram fünf Monate lang, was wäre eigentlich schlimmer, die Schläge und die erniedrigenden Botendienste und das Schuheputzen und das Bettenmachen, oder die Tatsache, dass die Schweine ihn besiegt hätten?
    Das Schlimmste wäre natürlich, dass die Schweine ihn dann besiegt hätten.
    Gab es denn gar keine Möglichkeit zur Gegenwehr? Da Erik nach diesem Halbjahr aufhören und nie wieder nach Stjärnsberg zurückkehren würde, konnte er irgendwann machen, was er wollte, in der letzten Woche, in den letzten Tagen sogar gegen § 13 verstoßen. Er

Weitere Kostenlose Bücher