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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Nase. Immer häufiger war es das schwierigste Stück der Mutter, das eigentlich nur eine professionelle Pianistin hätte spielen können, die Fantasie Impromptu, cis-Moll op. 66.
    Wieder gab es einen festen Status quo. Die Ratis rührten ihn nicht an, erteilten ihm keine Befehle und sprachen nicht mit ihm. Sie weckten ihn nicht einmal mehr aus seiner Schlafrunde am frühen Samstagmorgen im Arrest.
    Aber auch die Kampagne von Rat und Fach zeigte Wirkung. Mit etwas Glück hatte die Schulmannschaft auch das Spiel nach dem 3:2-Sieg gewonnen, aber die Leichtathletikmannschaft verlor zum ersten Mal seit sieben Jahren gegen das erbärmliche Sigtuna. Der Abstand betrug elf Punkte, es ließ sich leicht ausrechnen, was unter anderen Bedingungen gewesen wäre, also wenn man die beiden Sprinterstrecken gewonnen und Erik in der Staffel gehabt hätte, die über vier mal hundert Meter denkbar knapp verlor. Die satanische Logik funktionierte ausgezeichnet, was vor allem daran lag, dass die Vertreter des Fachs nicht müde wurden, auf dem entscheidenden Punkt herumzureiten: dass Erik die Schule im Stich lasse und den Kameradschaftsgeist schmählich verrate.
    Dann rückte der Wahlkampf näher. Pierre hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass die unergründliche Macht des Rektors schon dafür sorgen werde, dass ein anderer als Silverhielm bei der demokratischen Wahl des Präfekten den Sieg davontrug. Aber als die Kandidatenliste am schwarzen Brett vor dem Speisesaal angeschlagen wurde, war das Gegenteil der Fall.
    Silverhielm war natürlich der einzige wählbare Kandidat, da er der amtierende Präfekt war. Als Gegenkandidaten hatte der mächtige Herr Rektor einen weichlichen Typen aus der dritten Klasse aufgestellt, der zwar gute Zeugnisse hatte, aber im Rat ein Witz sein würde. Aus irgendeinem Grund wollte der mächtige Herr Rektor Silverhielm behalten, und es war nicht leicht zu verstehen, weshalb.
    Der Wahlausgang stand schon im Voraus fest. Nach allem, was Erik und Pierre hörten, war die Aula während des lahmen Wahlkampfs nicht einmal zur Hälfte gefüllt gewesen. Wie die meisten Mittelschüler hatten Erik und Pierre sich an diesem Abend auf andere Weise beschäftigt.
    Die werden nicht aufgeben, Pierre. Ich spüre, dass das Ganze auf irgendeine Weise wieder losgehen wird. Ja, ich weiß, du glaubst, wir hätten im Grunde schon gewonnen und jeder, der nur ein wenig Grips im Kopf hat, müsste natürlich sehen, was hinter meinem Sportverbot wirklich steckt. Aber hier geht es nicht nur um den Kopf, Pierre, hier geht es darum, wie einem zu Mute ist. Du findest das vielleicht jämmerlich, aber mein einziger glücklicher Augenblick hier auf der Schule war, als ich im vorigen Jahr mit dem Staffelholz durchs Ziel gelaufen bin, für einen Moment schien sich ja auch alles zu ändern, als könnte ihre Dummheit meinen Sport nicht erreichen. Übrigens sind sie nicht dumm, wir begehen beide einen Fehler, wenn wir das von ihnen denken. Unbewusst tu zumindest ich das ab und zu, auch, wenn ich eigentlich weiß, dass es nicht so ist. Du sagst immer, dass am Ende der Intellekt über die Brutalität siegen muss, aber ich weiß manchmal nicht, was unter Intellekt und Brutalität zu verstehen ist. Nimm die Sache mit Blinkfeuer, als er seinen
    Zigarillo auf meiner Brust ausgedrückt hat und ich nichts gespürt habe. Das lag daran, dass ich ihn in dem Moment so sehr gehasst habe, dass der Hass wie ein Betäubungsmittel gewirkt hat, ich wusste, dass er zusammenbrechen würde, wenn ich einfach stehen blieb und ihm in die Augen schaute. Was war das, Pierre? Sag mir, war das Intellekt oder Brutalität? Es gibt die Grenzen nicht, von denen du immer redest, bei dir klingt alles wie in einem Schulbuch, wenn du so argumentierst. Es besteht kein Unterschied zwischen deinen und meinen Gefühlsnerven, wir sind biologisch so gleich wie zwei gleichaltrige Zebras. Wenn du Blinkfeuer ebenso gehasst hättest wie ich, dann hättest du das damals auch geschafft. Was soll daran intellektuell sein?
    Eins stimmt, Erik: Blinkfeuer hat sich seitdem nicht mehr in deine Nähe gewagt, und natürlich hatte er damals Angst. Ich weiß nicht, ob du ihn so klar gesehen hast wie ich, ich stand neben euch und konnte euch beide sehen. Noch nie hob ich bei einem Menschen so viel Angst gesehen wie damals bei ihm, ich glaub auch nicht, dass ich es jemals wieder sehen werde. Trotzdem glaub ich, dass du dich irrst. Du sagst, es geht hier um Hass, als wäre Hass eine Form des Bösen und der

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