Evil - Das Böse
demokratische Beschlüsse zu fassen. Zwar sei nicht der Rat dafür verantwortlich, wer in die Schulmannschaften berufen werde, aber die meisten aus der Fußballmannschaft seien, von drei Ratis abgesehen, Leute aus der Abiklasse. Und für die Leichtathletikmannschaft gelte dasselbe. Auch dort werde eine demokratisch beschlossene Maßnahme von Fach und Rat auf großes Verständnis stoßen, nicht wahr? Also, wäre Erik eventuell bereit, sich die Sache noch einmal zu überlegen .
Nein.
Dann sehe das Fach sich leider dazu gezwungen, jene gewissen Maßnahmen durchzusetzen. Vielleicht könne die Sache nach einem halben Jahr noch einmal zur Sprache gebracht werden?
Nein. Nie wieder.
Damit war die Besprechung beendet, der stellvertretende Vorsitzende klopfte mit dem Bleistift auf den Tisch und Höken nahm wieder seinen Platz ein. Ein Klopfen mit dem Bleistift, der nächste Punkt auf der Tagesordnung.
Erik hatte seinen letzten Hundertmeterlauf hinter sich und sein letztes Tor für die Fußballmannschaft geschossen.
»Das kriegen die niemals durch«, sagte Pierre, »erstens kriegt Tosse Berg Zustände, wenn er das hört, und zweitens wird die halbe Mittelschule sie ausbuhen, wenn sie dir die weitere Teilnahme an Wettkämpfen verbieten.«
»Doch, natürlich kriegen sie’s durch«, seufzte Erik. »Es ist ein Klacks, wenn man es sich genauer überlegt. Was kann ein Lehrer wie Tosse Berg machen, wenn Rat und Fach und alle anderen aus der Fußballmannschaft sagen, leider, das ist ein demokratisch gefasster Beschluss und ein Teil der Kameradenerziehung, der die Lehrer nichts angeht.«
»Aber die machen sich doch damit nur neue Probleme, so populär, wie du nach dem Staffelsieg gegen Lundshov im letzten Schuljahr geworden bist.«
»Das ist es doch gerade, wo sie der Schuh drückt. Sie werden die Sache sogar gegen mich verwenden, falls du verstehst, was ich meine.«
»Nein, wie denn?«
»Aber das liegt doch auf der Hand. Nur weil ich so fies bin und nicht wie alle anderen Schläge auf den Kopf kriegen und Silverhielms Bett machen will, lasse ich die Schulmannschaft im Stich. Ich lasse sie lieber im Stich, statt mich so zu verhalten wie alle anderen, nicht wahr?«
»Du hast Recht, verdammt, das ist auf eine perverse Weise total logisch.«
»Nicht genug damit, dass ich mir undemokratische Privilegien verschafft habe, jetzt weigere ich mich auch noch, für die Schule den Hundertmeterlauf zu gewinnen, ich koste Stjärnsberg mindestens zwanzig wichtige Leichtathletikpunkte bei den Meisterschaften. Der pure Verrat nach dieser perversen Logik.«
»Eigentlich kommt es nicht unerwartet. Als Sporthelden konnten sie dich unmöglich weitermachen lassen. Ziemlich clever eigentlich, ungewöhnlich clever dafür, dass es vom Bösen selber kommt.«
»Das Böse ist nicht dumm, Pierre, hast du das noch immer nicht gelernt?«
Das Sportverbot tat seine Wirkung.
Eriks rote Spikes der Marke Puma vertrockneten hinten im Kleiderschrank. Aber er schwamm weiter vor dem Frühstück und nach dem Abendessen seine Bahnen. Er schwamm nicht mit Lust und Spaß - seine Ergebnisse verbesserten sich immer langsamer -, sondern in dumpfer Wut, so, wie er auch die Gewichte auf der Hantel auf fünfzig Kilo erhöht hatte. Achtmal auf der Bank liegend mit gestreckten Armen nach oben stemmen und wieder herunterlassen. Dann dasselbe noch mal.
Achtmal hinter den Nacken und hoch mit geraden Armen. Achtmal mit umgekehrtem Griff von den Oberschenkeln zur Brust. Achtmal über die Schultern, mit flachen Knien und ausgestreckten Beinen. Achtmal mit geraden Armen von den Oberschenkeln hoch zur Brust, bis es ihm vor den Augen flimmerte, die Bilder des Vaters oder Silverhielms oder Blinkfeuers hinter den geschlossenen Augenlidern gaben ihm den nötigen Hass und zusätzlichen Brennstoff für die müden Muskeln. Wieder und wieder, ohne ein Wort. Total konzentriert, gefangen in den wechselnden Bildern hinter seinen Augenlidern, nie ein Wort zu den Gymnasiasten, die abends in der Nähe waren, den Gymnasiasten, die ihn verstohlen musterten, wenn sie glaubten, er sehe sie nicht; das alles war wie eine Vorbereitung, als stünde unausweichlich am Ende der Moment, in dem draußen vor dem Anbau neue Eisenstangen in den Boden getrieben wurden und Erik endlich gegen den § 13 verstieß. Wieder und wieder. Abend für Abend.
Und dann der erste Kilometer im Becken in lockerem Tempo mit Musik irgendwo im Rauschen des Wassers und im Blubbern der Strömung um seinen Kopf und vor seiner
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