Evil - Das Böse
harte Aufgabe, den Rat zu leiten, und brauche viel Erfahrung. Was seine Studien betreffe, so werde er nichts besser und nichts schlechter machen, wenn er nun abgesetzt würde. Denn darum gehe es hier, trotz der schönen Lobreden. Was Otto Silverhielm angehe, fuhr Bernhard fort, so habe der keinerlei Erfahrung in der Ratsarbeit. Und es sei äußerst ungewöhnlich, dass jemand zum Präfekten gewählt werden wolle, der zuvor nicht wenigstens ein Jahr als normales Mitglied Einblick in die Arbeit des Rates gewonnen habe. Dieser Mangel an Erfahrung sei das gewichtigste Argument gegen Otto.
Doch gebe es auch noch andere Einwände. Otto habe die Zustände an der Schule zu schwarz gemalt und vieles übertrieben. Von einer unterirdischen Streikbewegung an der Mittelschule könne keine Rede sein, es sei lächerlich, das so darzustellen. Die Mittelschule stehe insgesamt loyal zu Stjärnsberg und befolge alle Anweisungen des Rates und der Abiklasse. Vielleicht gebe es einzelne Problemkinder, man brauche keine Namen zu nennen, es sei mehr eine Frage des Prinzips als der Personen, aber eine Hand voll Problemkinder sei noch keine Bedrohung für das gesamte System der Kameradenerziehung.
Und damit wandte Bernhard sich direkt an die Mittelschüler.
Otto Silverhielm sei, wie alle wüssten, der aus der dritten Klasse, der mit der größten Begeisterung ins Karo stieg. Die Sache mit dem Karo habe übertriebene Ausmaße angenommen. Nicht, dass an Prügeln an sich etwas auszusetzen sei, ein Peppis im richtigen Moment könne überaus nützlich sein. Was er, Bernhard, kritisiere, sei, dass Otto die Möglichkeit zu prügeln offensichtlich ein wenig zu sehr genoss. Die Mittelschüler sollten sich also überlegen, was passieren könnte, wenn man einen solchen Burschen in den Rang des Präfekten erhob. Bestrafungen sollten in der richtigen Situation wohl durchdacht verhängt werden. Sie dürften keinesfalls zum Sport werden. Was also die Mittelschüler vor der Stimmabgabe gut überlegen sollten, sei die Frage, ob sie Zustände wie im vergangenen Jahr haben wollten oder immer noch mehr Prügel. Denn dafür und für sonst gar nichts habe Otto sich letzten Endes ausgesprochen. Sie brauchten nur zu wählen.
Danach stiegen noch sieben oder acht aus Ottos und Gustaf Dahlens Klasse aufs Podium und sprachen über die Notwendigkeit, die Ordnung wiederherzustellen, man müsse an Bernhards Studien denken, und Gustaf Dahlen werde für Otto bei den zugegebenen Schwierigkeiten, die es mit sich brachte, direkt zum Präfekten gewählt zu werden, eine ausgezeichnete Stütze sein. Eines aber sei sonnenklar, nämlich dass neue, frische Kräfte benötigt würden, um die Schule wieder auf Vordermann zu bringen. Bernhard nehme die sich ausbreitenden Soziideen übrigens ein bisschen sehr auf die leichte Schulter, ja, man könne ihn fast selbst für einen Sozi halten. (Bernhard wehrte sich empört gegen diese Unterstellung, aber der giftige Pfeil hatte sein Ziel nicht verfehlt, wo Rauch ist, ist auch Feuer.)
In diesem Stil ging der Wahlkampf weiter.
Erik und Pierre wussten, was bei der Wahl auf dem Spiel stand. Die Mittelschule besaß ein paar Stimmen mehr als das Gymnasium, deshalb glaubte Erik, dass Otto und Gustaf Dahlen eigentlich verlieren mussten. Die Mittelschüler mussten schon aus purem Selbsterhaltungstrieb so abstimmen wie Erik und Pierre.
Doch Pierre war pessimistisch.
Und Pierre behielt am Ende Recht. Als am Tag nach der Wahl die Ergebnisse am schwarzen Brett ausgehängt wurden, stellte sich heraus, dass das neue Regime Otto/Gustaf einen erdrutschartigen Sieg errungen hatte. Zusammen mit nicht weniger als fünf neuen Mitgliedern würden die beiden in den Rat einziehen.
»Dann gibt es Krieg«, sagte Pierre, »und heute Nacht ist Klosternacht. Sie werden versuchen, etwas richtig Schreckliches mit dir anzustellen. Sie müssen schon in der Klosternacht beweisen, dass ihnen die Sache ernst ist.«
Die Klosternacht folgte immer auf den Tag, an dem das Wahlergebnis verkündet wurde. Niemand wusste, warum sie Klosternacht hieß, sie hatte immer schon so geheißen. In der Klosternacht wurden die Neuen und Frechen unterschiedlich heftig gezüchtigt, je nachdem, wie frech sie im Herbsthalbjahr gewesen waren. Die Sache konnte viele Formen annehmen, aber es begann immer damit, dass der Rat zu dem, der »geklostert« werden sollte, aufs Zimmer stürzte und ihn aus dem Bett riss. Danach folgten allerlei Prozeduren, über die in der Schule viele Geschichten im
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