Evolution der Leere: Roman
Die spar ich mir besser für den richtigen Hunger auf.
Eine halbe Stunde später spürte sie, wie die Luft deutlich kühler wurde, während die Tageshitze allmählich in den Himmel entwich. Sie schloss ihre Vliesjacke wieder und setzte sich erneut in Bewegung. Ihre Füße taten weh. Die Stiefel waren absolut nicht geschaffen für solch einen Marsch. Immerhin war wenigstens das Gelände gleichbleibend flach.
Während sie so dahintrottete, fragte sie sich, was sie machen würde, wenn sie das Commonwealth wieder erreichte. Sie wusste, dass sie nur eine Chance hatte, nur einen Versuch. Zu viele Leute suchten nach ihr. Davor, sich Living Dream zu stellen, scheute sie instinktiv zurück. Aber für Laril, bei all seiner Loyalität und seiner Bereitschaft zu helfen, war die Sache eine Nummer zu groß. Für wen nicht? Obwohl er vielleicht mit irgendeiner Fraktion verhandeln konnte. Aber mit welcher? Je mehr sie darüber nachdachte, umso überzeugter war sie, dass sie Oscar Monroe kontaktieren sollte. Wenn irgendjemand ihr Zuflucht bieten konnten, dann ANA selbst. Und wenn man sie dort auch instrumentalisieren wollte, war wirklich alle Hoffnung dahin.
Araminta schleppte sich weiter voran. Hunger und Mangel an richtigem Schlaf machten ihr zusehends zu schaffen. Sie fühlte sich erschöpft, aber sie wusste, dass sie nicht schlappmachen durfte. Sie musste während der Nacht so viel Boden gewinnen wie möglich, denn bei Tage würde sie nirgendwohin gehen. Ihre Glieder schmerzten, vor allem die Beine, während sie einfach nur weitermarschierte. Jedes Mal, wenn sie stehenblieb, um etwas zu trinken, wurde es mühsamer, die Flaschen wieder auf ihren Rücken zu hieven. Ihre Wirbelsäule begann, das Gewicht jetzt wirklich zu spüren. Als ihre Stiefel anfingen, über wundes Fleisch zu scheuern, war das Einzige, was sie tun konnte, die Zähne zusammenzubeißen und das Pochen in ihren Füßen zu ignorieren. Hin und wieder jagte die inzwischen eisige Nachtluft ihr einen Schauer über den Rücken, ein heftiges Zucken, das ihren ganzen Körper in Mitleidenschaft nahm. Dann blieb sie einen Augenblick stehen, schüttelte den Kopf wie ein aus dem Wasser kommender Hund und verfiel im nächsten Moment wieder in ihren Trott. Ich darf nicht aufgeben.
Es gab so viel zu tun, so viele Dinge, die sie zuwege bringen musste, um diesen ganzen Living-Dream-Wahnwitz zu stoppen. Ihr Geist begann davonzudriften. Sie sah wieder ihre Eltern, nicht die, mit denen sie sich in ihren späten Teenagerjahren andauernd herumgestritten hatte, sondern die aus ihren Kindertagen, die sie verwöhnt, mit ihr gespielt, sie getröstet und ihr zu Weihnachten ein Pony geschenkt hatten, als sie acht gewesen war. Selbst nach der Scheidung hatte sie keinen Drang verspürt, sie anzurufen. Zu starrköpfig, wie sie war, oder vielleicht auch zu dumm. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, was sie sagen würden, wenn ich ihnen erzählte, dass ich Mr Bovey kennengelernt und mich entschlossen habe, ein Multiple zu werden. Dann war da die Zeit, kurz nachdem Laril sich vom Planeten davongemacht hatte, als sie mit Cressida fast jede Nacht durch die Clubs gezogen war und eine Verabredung nach der anderen gehabt hatte. Frei sein, Spaß haben, erfahren, wie es war, jung und unverheiratet zu sein. Seine Unabhängigkeit im Commonwealth genießen, und ein kleines bisschen Stolz dazu.
Sie fragte sich, ob irgendetwas von diesem Leben jemals zurückkehren würde. Alles, was sie sich im Augenblick wünschte, war, dass dieser gefährliche Wahnsinn endete, dass Living Dream zunichte gemacht wurde, und für sich selbst, dass sie Mrs Bovey wurde. War es möglich, wieder in selige Vergessenheit abzutauchen? Andere hatten es geschafft, Tausende hatten ihren Augenblick des Ruhms oder der Schande. Mellanie musste es fertiggebracht haben.
Der Timer in Aramintas Exosicht blinkte purpurrot auf, begleitet von einem eindringlichen Piepsen, das sich durch die Hörnerven wand, und riss Araminta aus ihrer tröstlichen Träumerei. Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus und schälte sich aus dem Gurtzeug. Zumindest war es jetzt nicht mehr so kalt. Als sie die Flasche hochhielt, um zu trinken, sah sie plötzlich Lichter über das Sternenfeld kriechen. Sie hatte lange genug in Colwyn City gelebt, um Raumschiffe zu erkennen, wenn sie sie sah. »Was zur Hölle ...?« Das war der Moment, in dem sie bemerkte, dass der Silfenpfad jetzt hinter ihr lag.
»Ozzie!« Ihr Geist nahm zahlreiche, ruhige Gedankenemissionen im
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