Evolution der Leere: Roman
Massenmord. Kleriker Phelim hatte die Senatsdelegation, als diese dergleichen Anschuldigungen gegen ihn erhob und deutlich hatte durchblicken lassen, dass das Commonwealth ein Kriegsverbrechertribunal mit ihm als Hauptangeklagtem einberufen würde, kurzerhand aus seinem Hauptquartier geworfen. Doch in einer außerordentlich misslungenen PR-Maßnahme hatte er, fünf Stunden nachdem die Agenten aufgehört hatten, wie wild aufeinander einzuballern, das Flugverbot für örtliche Ambulanzkapseln schließlich aufgehoben. Trotzdem würde er die Kraftfeldwetterkuppel nicht abschalten lassen. Ebenso wenig würde er erlauben, dass die Verletzten in Hospitäler in anderen Städten überführt wurden. Colwyns eigene Krankenhäuser und Kliniken, ohnehin schon überfordert von früheren Verwundeten aus Zusammenstößen zwischen Bürgern und Paramilitärs, würden die Sache allein bewältigen müssen.
Die Opferzahlen waren schwer zu beziffern, aber die Unisphären-Reporter vor Ort rechneten mit etwa hundertfünfzig Körperverlusten. Die Zahl der Verletzten ging weit über tausend, möglicherweise an die zweitausend, von leicht über schwer bis hin zu lebensbedrohlich.
Oscar hatte die Summe von Körperverlusten persönlich um zwei erhöht, und was den Kollateralschaden anging, war er nicht sicher, aber der würde wohl auch nicht gering ausgefallen sein. Niemand hatte sich in dem Kampf zurückgehalten. Auf einer Ebene war er insgeheim geradezu entsetzt über die Rücksichtslosigkeit, mit der er Araminta vor den Agenten, die hinter ihr hergewesen waren, beschützt hatte. Er hatte sich ganz den Kampfprogrammen überlassen, hatte ihnen gestattet, seine sämtlichen Reaktionen zu beherrschen. Dennoch waren seine eigenen Instinkte nicht unbeteiligt gewesen und hatten den Kampf um eine Wildheit ergänzt, die jeden Fehler, den sein Gegner erkennen ließ, brutal ausgenutzt hatte. Und seine Biononics waren absolute Oberklasse. Sie erzeugten Energieströme, die von den besten waffenfähigen Programmen generiert wurden, die seitens der Knight Guardians je entwickelt worden waren. Sicher war es auch hilfreich gewesen, dass Tomansio und Beckia sich binnen Sekunden mit all ihrer Feuerkraft und Wut mit in sein Gefecht geworfen hatten. Aber in diesen ersten kurzen und entscheidenden Augenblicken hatte er sich ganz auf sich allein gestellt behauptet. Es war das gleiche Gefühl wie bei der Hanko-Mission, damals, in der guten alten Zeit, als er beinahe selbstmörderische Flugmanöver über dem Stern ausgeführt hatte, ganz einfach, weil es nötig gewesen war.
Jetzt, am Morgen danach, begannen Schuldgefühle, ihn zu beschleichen. Möglicherweise hätte er etwas Zurückhaltung üben sollen, ein bisschen Rücksichtnahme auf die Unbeteiligten, die versucht hatten, aus der Gefahrenzone zu kommen. Wenngleich er verstandesmäßig nur allzu gut wusste, dass er Aramintas Flucht hatte decken müssen, koste es, was es wolle. Das Schicksal des Commonwealth hatte von diesem Moment abgehangen, der darüber bestimmte, welche Fraktion sie zu fassen bekam. Vielleicht hatte er deshalb so unbarmherzig gekämpft; er hatte gewusst, dass er erfolgreich sein musste. Die Alternative war zu entsetzlich, um sie auch nur in Betracht zu ziehen.
Gewiss, anfänglich hatten Tomansio und Beckia ein gewisses Maß an mangelndem Respekt erkennen lassen. Er wünschte nur, er hätte ihn sich auf andere Weise erworben.
Ihre geborgte Kapsel verließ die Basis der Ellezelin-Truppen an den Docks und flog eine Wende, um mit Kurs auf die große Spannbrücke dem Cairns River zu folgen.
»Irgendwer muss sie erwischt haben«, sagte Beckia; diese Feststellung war fast schon zu einem Mantra geworden. Nachdem sie sich von den Kämpfen in Bodant Park gelöst hatten, hatten sie den Rest der Nacht damit verbracht, Liatris bei der Suche nach Araminta, dem schwer zu fassenden Zweiten Träumer, zu helfen.
Zum Teil war ihr Verschwinden ihre eigene Schuld; Liatris hatte im Umkreis von fünf Kilometern um den Park sämtliche Sensoren zerstört. Alles, was in diesem Moment gezählt hatte, war, dass Araminta entkam. Und so war ihnen dieses Mittel als gerechtfertigt erschienen. Was sie allerdings verwunderte, war, wie schnell Araminta das bewerkstelligt hatte. Ihre Suche hatte nicht den leisesten Hinweis darauf ergeben, wo sie abgeblieben sein könnte, nachdem sie im Park vor Oscar die Flucht ergriffen hatte. Als Plus war zu verbuchen, dass auch niemand sonst, der nach ihr fahndete, sie bisher gefunden
Weitere Kostenlose Bücher