Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution der Leere: Roman

Evolution der Leere: Roman

Titel: Evolution der Leere: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
Vom Netzwerk:
Warten mehr darauf, dass jemand anders etwas unternahm. Jetzt hängt es von mir ab. Eine nicht geringe Beklommenheit ging mit diesem Gedanken einher, und zudem vielleicht eine kleine Spur Angst; aber es lag auch eine gewisse Befriedigung darin. Alles, was ich tun muss, ist, die Leute zu finden, die gegen die Pilgerfahrt sind, und mich ihnen anzuschließen.
    Damit zog sie den Rucksack aus der Gepäcktasche, schnallte ihn sich auf den Rücken und machte sich das Flussbett entlang auf den Weg. Wenigstens musste sie sich bei ihm nicht fragen, ob es der richtige Weg war.
    Nach weniger als einer Stunde begannen ihre Stiefel in den allmählich feuchter werdenden Sand einzusinken. An den Ufern wuchs Gras. Es herrschte immer noch Nacht, und ihre durch Enrichments verbesserte Sehkraft konnte nicht allzu viel ausmachen, aber die Wüste hatte sie hinter sich gelassen, da war sie sicher. Dann erhaschte sie am Rand ihres Sichtfelds die Umrisse von Bäumen.
    Wasser lief in die Abdrücke, die ihre Stiefel in dem weichen Boden hinterließen. Das Flussbett bestand nicht mehr aus Sand, sondern aus feiner Erde. Die Steine am Ufer waren von Moos und Flechten überdeckt. Sie kraxelte aus der Wasserfurche und setzte ihren Weg daneben fort. Kühlere Luft ließ sie frösteln, und sie stellte die in ihre Vliesjacke eingewobenen Thermofasern so um, dass sie mehr Körperwärme speicherten. Kurz darauf rieselte ein kleines Wasserrinnsal in der Mitte des Flussbetts dahin. Hoch über ihr erfüllten riesige, dichte Sternencluster den Himmel, stattliche Flecken aus silberweißem Gefunkel, so viel beeindruckender als alles, was von irgendeinem Ort im Greater Commonwealth zu erblicken war. Araminta lächelte bei dem Gedanken.
    Der Wasserlauf im Flussbett wurde, während sie weiterging, tiefer und breiter, verwandelte sich von einem Rinnsal in einen ansehnlichen Bach, der lustig um halb überschwemmte Felsen herumgurgelte. Bäume rückten näher ans Ufer, reckten ihre Äste hinauf in die Nacht und verbargen das Sternenfeld vor neugierigen Blicken. Ein anderer Bach floss mit dem, dem sie folgte, zusammen. Das war, als sie die ersten Liedfetzen vernahm. Die Silfen waren irgendwo in der Nähe, sie konnte sie ebenso deutlich spüren wie hören. Schlichte Harmonien strichen über das waldige Land, nicht weniger Teil von ihm als von der Luft. Sie blieb stehen und lauschte, sog die Melodie ein wie den Duft eines exquisiten Parfüms. Sie war zauberhaft, betörend, hob sich empor und floss in ihrem eigenen Rhythmus, in höheren tonalen Sphären, als die meisten menschlichen Kehlen zu erreichen vermochten.
    Wie Vogelgesang, dachte sie, ein Schwarm Vögel, der ein Loblied anstimmt.
    Wieder musste sie lächeln. Dann ging sie weiter das Bachufer entlang. Das Ufer eines Bachs, der inzwischen fast breit genug war, um als Fluss bezeichnet zu werden. Die Ruhe, die in ihren Geist einkehrte, war beinahe narkotisierend.
    Diesmal würde sie ihnen leibhaftig begegnen. Es war unvermeidlich.
    Allmählich hellte der Himmel über ihr auf. Große, sich wiegende Äste an jeder Seite des anschwellenden Wasserlaufs wurden zu dunklen Silhouetten vor fahlgrauem Pastell. Die prachtvollen Sternencluster verblassten aus Respekt vor der nahenden Sonne. Tau begann, sich auf das Gras und die kleinen Farne zu legen, perlte ab und tropfte ihr auf die Stiefel. Das Lächeln in Aramintas Gesicht wollte und wollte nicht schwinden, auch wenn sie wusste, dass jede Linderung, die sie hier fand, nur vorübergehend sein würde.
    Dann wichen die Bäume unvermittelt zurück, und sie keuchte jäh auf angesichts des Ausblicks, der sich ihr bot. Sie befand sich hoch oben am Rand einer Hochebene, die zu einer phantastisch ursprünglichen Landschaft abfiel. In der vollkommen klaren Luft konnte sie schier endlos weit in die Ferne blicken, mehr als hundert Meilen, wie es ihr schien. Schneebedeckte Berge friedeten das Bild auf zwei Seiten ein, während sich vor ihr das Land wie eine wogende See aus von grünen Waldungen geschmückten Hügeln und Tälern erstreckte. Sanft schlang der Morgennebel sein Tuch um die Böschungen und Hänge und deckte auch die tiefsten Mulden und Talbecken zu. Fäden von Bachläufen funkelten und glitzerten die Bergflanken hinab, Tausende von Nebenrinnsalen verflochten sich zu breiteren, dunkleren Flüssen. Wasserfälle stürzten Hunderte von Metern die schroffen Abhänge und Spalten hinab in das felsige Vorland.
    »Oh mein Gott«, murmelte Araminta voller Bewunderung. Dort wartete

Weitere Kostenlose Bücher