Evolution der Leere: Roman
triumphierendes Lächeln zuckte über Ranalees Lippen. »Nicht so viel wie du.«
»Oh um der Herrin willen!«
»Möchtest du heute Abend nicht bleiben, Edeard? Möchtest du dich nicht erinnern, wie es war? Wie viel dir entgangen ist?«
»Gute Nacht«, sagte er angewidert.
»Warte.« Sie wandte sich ab von der Couch.
»Ranalee ...«
»Ich habe ein paar Informationen für dich. Etwas, womit sie nie zu dir kommen würde.«
»Um was geht's?«, fragte er, obwohl er, sinkenden Herzens, genau wusste, von wem sie sprach. Ranalee würde nie seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, um ihn lediglich zu verspotten, sie hatte immer etwas auf Lager, das für Kummer oder Unheil sorgte.
»Vintico hat heute den Tag damit zugebracht, den Konstablern in der Bellis-Wache unangenehme Fragen zu beantworten«, sagte sie. »Ich bin überrascht, dass du nichts davon wusstest. Allem Anschein nach haben sie ihn über Nacht festgehalten, damit morgen die Anklagepunkte zu Papier gebracht werden können.«
»O Herrin«, ächzte Edeard.
Vintico war Salranas ältestes Kind. Und einer der größten Taugenichtse, die je auf Makkathrans Straßen gesichtet worden waren. Zu einem nicht geringen Teil lag das daran, dass Vinticos Vater auch sein Onkel war - Tucal, Ranalees Bruder. Mehr als alles zuvor hatte diese verabscheuungswürdige Paarung Edeard klar gemacht, dass zwischen ihm und Ranalee niemals Waffenruhe herrschen würde, dass ihr Krieg andauern würde bis zum bitteren Ende.
»Was ist es diesmal?«, fragte er verzagt.
»Es scheint, Vintico hatte keine glückliche Hand bei der Wahl seiner Geschäftspartner. Ich hab' was von einem geplatzten Handel und großen Schulden bei alteingesessenen Kaufleuten gehört. Sieht so aus, als verstünden sie bei solchen Sachen keinen Spaß. Vor allen Dingen nicht heutzutage, wo in der Stadt alles so prächtig floriert. Schließlich muss ja Recht und Ordnung herrschen.«
»Da kann ich nichts machen.«
»Verstehe. Du hast deine Prinzipien. Aber es wird seiner Mutter das Herz brechen, wenn er nach Trampello geschickt wird. Es könnte außerdem das Ende für ihre Verlobung bedeuten. Diese einzige, zerbrechliche Möglichkeit, ein bisschen Freude in ihr Leben zu bringen. Ich erwähne die Sache überhaupt nur, weil er sozusagen zur Familie gehört.«
»Warum hast du deiner Familie dann nicht selbst deine Hilfe angeboten, wenn es so wichtig für dich ist?«
»Wenn ich nur könnte. Aber leider bin ich im Moment nicht flüssig. Ich habe mein ganzes Geld in neue Unternehmen angelegt, um in die Zukunft meiner eigenen Kinder zu investieren.« Sie lächelte unzüchtig und wandte sich wieder dem auf der Couch dahingestreckten Burschen zu. »Was ist nun? Willst du jetzt zusehen oder nicht?«
Wütend riss Edeard seine Fernsicht zurück, doch nicht, ohne dass zuvor noch ihre boshafte Belustigung in seine Wahrnehmung sickerte. »Herrinverfluchte Scheiße!«, spie er aus.
Salrana! Der eine Name, der in der Culverit-Zikkurat nie wieder ausgesprochen werden durfte. Kristabels Geduld bezüglich dieses Themas hatte sich vor Dekaden erschöpft. Salrana: der er über die Jahre hinweg aber- und abermals versucht hatte zu helfen. Er hatte abgewartet und beobachtet, gehofft, dass sich ihr altes Ich eines Tages wieder Geltung verschaffte, dass der seelische Schaden, den Ranalee angerichtet hatte, sich mit der Zeit legen würde. Er tat es nicht. Ranalee war anfangs zu geschickt gewesen, seine Gegenwehr zu plump, was nur dazu beigetragen hatte, dass die neuen, unechten Gefühle sich umso leichter in ihrem Denken hatten festsetzen können, bis sie am Ende nicht länger unecht waren. Salrana hasste ihn.
Es war ein jahrelanger Kampf gewesen, bis er sich geschlagen gegeben hatte. Schließlich hatte sogar Ranalee sich wieder lohnenderen Anstrengungen zugewandt. Die fünf Kinder, die Salrana von durch Ranalee handverlesene Männer empfangen hatte, hatten sich als wenig herausragend erwiesen, vor allem, was ihre mentalen Kräfte anging. Also hatte Ranalee ihre Mutter als letzte Demütigung fallengelassen. Jetzt war sie mit Garnfal verlobt, einem Zimmermann-Gildenmeister, mehr als sechzig Jahre älter als sie. Edeard war sich ziemlich sicher, dass Ranalee diesmal nicht ihre Finger im Spiel hatte, also mochte es durchaus sein, dass die gegenseitige Anziehungskraft (worauf immer sie fußte) sogar echt war. Ranalee konnte recht haben und es wäre eine Chance für Salrana, zu ihren eigenen Bedingungen glücklich zu sein.
Ich kann nicht
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