Evolution der Leere: Roman
intervenieren.
Aber Salrana war sein Verschulden. Würde es immer sein. Was bedeutete, dass er für sie auch Verantwortung trug. Eine Bürde, die er niemals würde abwerfen können.
Nur für einen kurzen Moment spielte er mit dem Gedanken, ein paar Wochen zurückzugehen und Vintico vor diesem idiotischen Geschäft, auf das er sich eingelassen hatte, zu warnen. Aber das hieße auch zwei weitere Wochen Wahlkampf, Gesellschaften, auf denen er bereits gewesen war, eine Neuauflage des kompletten Viehzertifikatsdebakels.
Edeard stöhnte bei der Vorstellung. Ausgeschlossen. Er richtete seinen Longtalk auf ein bestimmtes kleines Haus im Ilongo-Distrikt. »Felax, ich hab' einen Auftrag für dich.«
Edeard konnte Kristabels Gedanken bereits wahrnehmen, obwohl sie sich erst im sechsten Stockwerk befand. Er musste grinsen, denn die Färbung verriet, dass sie wieder mal miese Laune hatte. Etwas, das er jetzt, da seine eigene Gereiztheit abgeklungen war, umso belustigender fand. Er hatte durchaus einen Grund, wieder zuversichtlich zu sein. Felax war gewieft und diskret, und noch vor dem Morgengrauen würde das Vintico-Problem vom Tisch sein. Nicht, dass es etwas bringen würde, Kristabel von der Wirkung zu berichten, die diese spezielle Stimmung auf ihn hatte; allein, die Vorhersagbarkeit hatte etwas Kurzweiliges. Die Kinder mussten die Gemütslage ihrer Mutter ebenfalls bemerkt haben. Sie alle hatten an diesem Abend ganz zufällig etwas vor, waren auf Feiern oder losgezogen, um sich »mit ein paar Freunden zu treffen«; selbst Rolar und seine Frau waren samt ihren Kindern außer Haus. Ich kann's euch nicht verdenken, gab er ihnen still seinen Segen.
»Was machst du da draußen?«, peitschte Kristabels Longtalk hinaus, vor Verärgerung triefend.
»Sterne deuten«, erwiderte er sanft.
Als er durch die hohen Außentüren in das Studierzimmer blickte, sah er ihre Silhouette in der Türöffnung zum Flur stehen. Der pelzbesetzte Saum ihrer violett-schwarzen Amtsrobe des Großen Rats wurde von ihrer dritten Hand vom Boden ferngehalten, und die Kapuze hatte sie zurückgeschlagen. So hatte sie beide Hände frei, um sie in die Hüften zu stemmen.
Edeard dachte daran, wie er sie zum ersten Mal diese Pose hatte einnehmen sehen: an dem Tag, an dem Bise sich geweigert hatte, ihren Heiratszustimmungsantrag im Oberen Rat zu unterzeichnen. Mit zu einer Maske des Zorns erstarrtem Gesicht war sie aus dem Versammlungssaal gestürmt. Nervöse Distriktmeister waren hinter ihr zur Tür hinaus geschlichen, um so schnell wie möglich aus dem Orchard-Palast zu kommen. Sogar Bise hatte ein bisschen verängstigt ausgesehen.
»Nun, das ist ja auch unglaublich sinnvoll so kurz vor einer Wahl«, schnappte Kristabel, während sie durch das Studierzimmer schritt. »Und wieso ist es hier drin so dunkel?«
»Störlicht«, erklärte er.
»Was?«
»Es muss hier draußen vollkommen dunkel sein, damit das Teleskop bestmöglichst funktioniert. Hat was mit dem Zusammenziehen der Pupille zu tun. Man kann die Nacht mit Licht verschmutzen.«
»Um des Honious willen, Edeard. Du hast vielleicht Probleme. Du hast Verpflichtungen, und da verschwendest du deine Zeit mit diesem Genistarquatsch.«
»Wo liegt das Problem?«
»Wo das Problem liegt?« Inzwischen hatte sie den Dachgarten erreicht. Sie trug ihr Haar mittlerweile kürzer, und ihre Kammerzofen hatten ihre liebe Not damit, es Morgen für Morgen zu bändigen. An diesem Abend hatte sich das adrette Ringellöckchenarrangement, mit dem sie den Tag begonnen hatte, völlig ausgekräuselt, als hätte die schiere Hitze ihres Zorns es revoltieren lassen. »Dieser kleine Schwachkopf, Meister Ronius aus Tosella, hat uns zu der Handelsgesetzesvorlage einen ganzen Haufen Änderungsanträge um die Ohren geknallt. Fünf Monate versuche ich das Ding jetzt schon im Rat durchzubringen. Fünf herrinverdammte Monate! Diese Zollsenkungen waren für die Provinz Kepsil absolut lebensnotwendig. Hat man dem denn das Gehirn geklaut?«
»Die Vorlage war bei einigen Kaufleuten von Anfang an nicht beliebt.«
»Es waren Ausgleichsregelungen vorgesehen«, knurrte sie zurück. »Ich bin nicht blöd, Edeard.«
»Das hab ich auch nicht gesagt.«
»Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln!«
»Ich -« Er gab sich Mühe, ruhig zu bleiben. Du weißt, dass sie nach einer Ratssitzung immer so ist, dachte er. Und zu vielen anderen Gelegenheiten in letzter Zeit auch, wie er unter Bedauern zugeben musste. »Ich muss dir was zeigen«, sagte er
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