Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Schaik 2005: 35). Darüberhinaus erwartet er beim Menschen keine großen biologischen Veränderungen mehr. Gemäß solchen Auffassungen hätte sich das biologische Evolutionsgeschehen also am Ende doch noch selbst ausmanövriert, ein Gedanke, der von Eckart Voland jedoch als nicht wirklich befriedigend bezeichnet wird (Voland 2007: 12).
4.29.2 Genetisch bedingte Erfolgsmerkmale
Bevor ich auf die meine Thesen zum
Central Theoretical Problem of Human Sociobiology
zu sprechen komme, möchte ich zunächst der Frage nachgehen, ob die Mitglieder menschlicher Populationen tatsächlich über eine genetische Äquipotenz verfügen und die genetische Entwicklung des Menschen folglich zum Stillstand gekommen ist. Eine solche Vermutung ist jedoch ganz eindeutig zu verneinen.
Es kann heute kein Zweifel mehr daran bestehen, dass ein nennenswerter Teil des menschlichen Denkens, Fühlens und Verhaltens eine biologische Basis besitzt, die im Überlebenskampf während der Menschwerdung entstanden ist (Eibl-Eibesfeldt 2004). Auch bei der Intelligenz (präziser: beimIntelligenzquotienten) kann von einer erheblichen erblichen Komponente ausgegangen werden, wie die Zwillings- und Adoptionsforschung belegt (Borkenau 1993; Riemann/Spinath 2005: 616 ff.; Shaffer/Kipp 2007: 105 ff.; Weiss 2000; Roth 2003: 110ff.).
Im Abschnitt
Wozu gibt es Sexualität?
auf Seite → werden eine Reihe weiterer Faktoren präsentiert, die für eine starke Beteiligung der Gene an aktuellen menschlichen Erfolgsmerkmalen sprechen, unter anderem:
Inselbegabte (Savants) verfügen über außergewöhnliche geistige Fähigkeiten, die nicht selten mit einem völlig anders strukturierten Gehirn einhergehen (zum Beispiel bei Kim Peek).
Sechs von sieben Inselbegabten sind Männer.
Die Varianz der Intelligenzverteilung bei Männern ist deutlich höher als bei Frauen (Deary et al. 2007; Zechner et al. 2001). Beispielsweise ergab ein Test unter 2.500 Geschwistern, dass sich unter den „klügsten“ und „dümmsten“ zwei Prozent einer Bevölkerung doppelt so viele Männer wie Frauen befinden (Deary et al. 2007).
Inselbegabte wie Kim Peek oder Matt Savage demonstrieren in aller Deutlichkeit, dass das menschliche Gehirn noch ein beträchtliches genetisches Entwicklungspotenzial besitzt, und zwar nicht nur bezüglich bereits vorhandener Kompetenzen (zum Beispiel Musikalität), sondern möglicherweise auch solchen, die zurzeit noch nicht einmal fassbar sind. Denn wie will man zum Beispiel ausschließen können, dass irgendwann Menschen geboren werden, die sich vier Dimensionen vorstellen, durch Hypnose Krebs heilen, Rohstoffe in 5.000 Meter Tiefe erspüren oder die Gedanken anderer lesen beziehungsweise sogar manipulieren können? Allerdings dürften sich solche Merkmale nur dann nennenswert in Populationen ausbreiten können, wenn (siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt
Wozu gibt es Sexualität?
auf Seite → )
sie auf der männlichen Seite auftreten,
sie sozialen Erfolg begünstigen,
die männliche potenzielle Fruchtbarkeit größer ist als die weibliche und
sozialer Erfolg bei Männern mit einem höheren Reproduktionserfolg verbunden ist.
Es lässt sich argumentieren, dass dem genetischen Anteil an den menschlichen Kompetenzen in modernen, arbeitsteiligen und individualistischenGesellschaften in aller Regel eine größere Bedeutung zukommt, als dies in Urgesellschaften noch der Fall war.
Gemäß Emile Durkheim basierte die gesellschaftliche Kooperation in Urgesellschaften ganz wesentlich auf der Ähnlichkeit der Individuen, in modernen Gesellschaften stützt sie sich dagegen auf deren Differenzierung (siehe Abschnitt
Emile Durkheim
auf Seite → ). Differenzierung bedeutet aber auch berufliche Spezialisierung. Und da ist dann zu erwarten, dass sich Menschen vor allem für solche Tätigkeiten entscheiden werden, die ihnen besonders leicht fallen, und für die sie die entsprechenden genetischen Voraussetzungen mitbringen (Scarr/McCartney 1983). Kaum jemand würde beispielsweise ernsthaft Pianist oder Mathematikprofessor werden wollen, wenn er sich damit bereits in der Frühphase seiner Ausbildung sehr schwer täte.
Auf der anderen Seite verlieren viele genetisch bedingte Merkmale, die in Urgesellschaften geradezu entscheidend waren, in modernen menschlichen Gesellschaften immer mehr an Bedeutung. So muss man heute nicht mehr unbedingt scharf sehen oder schnell laufen können, da man sich ja eine Brille aufsetzen und mit dem Auto fortbewegen kann. Grundsätzlich ist
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