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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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2003).
    Obwohl die Evolution kein explizites Ziel kennt, lässt die Körperstruktur des Menschen aber klare Rückschlüsse auf die historischen Erfolgsmerkmale zu: Der Mensch zeichnet sich gegenüber anderen Lebewesen in erster Linie durch seine Gehirnleistung aus (Mayr 2005: 307ff.). Das menschliche Erfolgskriterium hieß somit – vereinfacht ausgedrückt – Verstand. Es kann deshalb angenommen werden, dass während des größten Teils der menschlichen Geschichte der soziale und reproduktive Erfolg von Männern stets mit deren geistiger Kompetenz korrelierte.
    Betrachtet man das
Central Theoretical Problem of Human Sociobiology
etwas genauer, dann sticht zunächst die Schwere des Problems hervor, denn im Grunde verbleiben zu seiner Lösung ja nur die folgenden Alternativen:
Moderne menschliche Gesellschaften reproduzieren sich nicht so, wie es das Prinzip der natürlichen Selektion vorhersagt, obwohl dieses gemäßEvolutionstheorie für alle biologischen Populationen gilt. Die Darwinsche Evolutionstheorie wäre somit falsifiziert.
Mit dem Menschen hat die Evolution eine Spezies hervorgebracht, für die die Evolutionsprinzipien nicht mehr gelten. Der Mensch wäre also gewissermaßen aus der Evolution herausgetreten.
Das Prinzip der natürlichen Selektion gilt für alle Spezies, folglich auch für den Menschen. Moderne menschliche Gesellschaften verhalten sich aber nicht entsprechend, weswegen sie sich nicht länger an die sich ständig wandelnden Anforderungen und Rahmenbedingungen (zum Beispiel Computerisierung, Globalisierung) anpassen können. Sie werden deshalb auf Dauer verarmen und/oder zugrunde gehen.
    Die erste Alternative kommt für die meisten Biologen kaum in Betracht, denn dann gäbe es schlagartig keine Erklärung mehr für die Evolution des Lebens, was aus ihrer Sicht natürlich wenig wünschenswert ist. Folglich verbleiben nur die beiden anderen Optionen. Und damit offenbart sich auch schon das eigentliche Dilemma des Problems: Man kann kaum wissenschaftlich objektiv darüber sprechen.
    Die dritte Alternative hätte nämlich erhebliche politische Implikationen, so dass bereits eine Diskussion darüber als politische Stellungnahme gewertet werden könnte. Wer hier gar einen gesellschaftlichen Handlungsbedarf sieht, dürfte sich sehr schnell des Sozialdarwinismus verdächtig machen. Folgerichtig überwiegen die Stimmen, die die Entwicklung als eher günstig ansehen. In diesem Sinne argumentiert beispielsweise Konrad Lorenz (Lorenz 2005: 60):
    Um sich die Gefahren zu vergegenwärtigen, die der Menschheit aus erblichen Instinkt-Ausfällen erwachsen, muss man sich klarmachen, dass unter den Bedingungen des modernen Zivilisationslebens kein einziger Faktor am Werke ist, der auf schlichte Güte und Anständigkeit hin Selektion treibt, es sei denn das uns eingeborene Gefühl für diese Werte. Im wirtschaftlichen Wettbewerb der westlichen Kultur steht ein eindeutig negatives Selektionsprämium auf ihnen! Es ist noch ein Glück, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht unbedingt positiv mit der Fortpflanzungsrate korreliert ist.
    Andere sehen nun gar die Möglichkeit eines permanenten gesellschaftlichen Umschichtungsprozesses herbei, bei dem die Eliten der nächsten Generation stets mehrheitlich aus den Kindern der bisherigen Nicht-Eliten rekrutiert würden (Bollmann 2006: 84):
    Erst die geringe Kinderzahl altrömischer Senatoren oder moderner Akademiker gibt dem Nachwuchs aus unteren Gesellschaftsschichten Raum für die eigene Karriere.
    Dazu müssten lediglich geeignete Bildungsmaßnahmen implementiert werden (Gaschke 2005: 102f.):
    Wenn hauptsächlich die Schwachen Kinder bekommen, dann müssen wir eben aus diesen Kindern Atomphysiker machen, Gerichtspräsidenten, Abgeordnete, verantwortungsvolle Bürger.
    Die meisten Soziobiologen halten sich allerdings lieber ganz aus dem Thema heraus, möglicherweise auch aufgrund der im Rahmen der Debatte um das Buch „
Sociobiology – the new synthesis
“ von Edward O. Wilson (Wilson 2000b; Alcock 2003) gemachten negativen Erfahrungen. Und so sind gemäß Eckart Voland Soziobiologen mittlerweile mehrheitlich der Auffassung (Voland 2007: 41),
    dass alle Mitglieder einer Population eine „genetische Äquipotenz“ aufweisen, und der soziale und damit letztlich reproduktive Wettbewerb ohne evolutionsgenetische Folgen ist.
    Der Anthropologe Carel van Schaik resümiert ganz in diesem Sinne, dass wir Menschen die genetische Evolution mehr oder weniger aufgehoben haben (Van

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