Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Abschnitt
Selbsterhaltende Systeme
auf Seite → ). Soziale Systeme entwickeln sich folglich aufgrund ihrer Selbsterhaltungsinteressen weiter. Beim Selbsterhaltungsinteresse wiederum geht es maßgeblich um den Erhalt oder gar die Verbesserung der eigenen Kompetenzen in Relation zur Außenwelt (Adaptionen). Auch zählen alle Maßnahmen zur Effizienzsteigerung, die es erlauben, die eigenen Produkte preiswerter anzubieten (= Kompetenzverbesserung), dazu.
Besteht in der Außenwelt noch keine zu sehr einengende Ressourcenverknappung, kann eine weitere Effizienzsteigerung oft allein schon durch Wachstum realisiert werden, weil dann sogenannte Skaleneffekte entstehen. Dies gilt insbesondere im Unternehmensbereich, wo steigende Stückzahlen üblicherweise mit sinkenden Stückkosten einhergehen. Viele evolutorische Systeme (auch biologische) tendieren deshalb zu Größenzuwachs (siehe (Lavers 2003), aber auch den Abschnitt
Wachstum
auf Seite → ). Zunehmende Größe dürfte dann aber irgendwann auch eine stärkere Ausdifferenzierung des Systems zur Folge haben. Bei einer Zunahme der Zahl anElementen steigt nämlich der systemische Koordinierungsaufwand beträchtlich. Durch die Gliederung in Subsysteme mit dedizierten Aufgaben kann die Gesamtkomplexität des Systems entscheidend reduziert werden, da nun für die einzelnen Subsysteme selbst weite Teile des Gesamtsystems zur Außenwelt gehören. Mit anderen Worten: Eine zunehmende Ausdifferenzierung des Systems reduziert die Systemkomplexität.
Im Rahmen der Gefallen-wollen-Kommunikation hat die Ausdifferenzierung meist auch eine Eingrenzung des Kontextes (das heißt, des Sinnzusammenhangs) für die Äußerung von Selektionsinteressen zur Folge (siehe dazu auch den Abschnitt
Gefallen-wollen-Kommunikation
auf Seite → ).
Auf der anderen Seite geht die Ausdifferenzierung mit einer verstärkten Arbeitsteilung einher, in deren Rahmen es gemäß Ricardos Theorem der komparativen Kostenvorteile und aufgrund von Veränderungen in der Arbeitsorganisation 53 zu einer weiteren Effizienzsteigerung des Gesamtsystems kommen kann. Auch hierbei handelt es sich letztlich um einen Beitrag zum Erhalt oder gar zur Verbesserung von Kompetenzen.
Und schließlich erzeugt die Gefallen-wollen-Kommunikation aus sich heraus ständig neue Produkte, Dienstleistungen und damit auch Bedürfnisse auf der Abnehmerseite, wodurch sich die Märkte und Gesellschaften weiter ausdifferenzieren (siehe dazu die Ausführungen im Kapitel
Verschwendung
auf Seite → ). Auch ein Großteil der Artenvielfalt in der Natur dürfte auf die Wirkungen der sexuellen Selektion beziehungsweise der natürlichen Gefallen-wollen-Kommunikation zurückzuführen sein (Miller 2001: 150ff.). Anders gesagt: Die Gefallen-wollen-Kommunikation differenziert Systeme aus.
3.8 Systembindungen
Systeme binden ihre Elemente auf sehr unterschiedliche Weise aneinander. Im Sonnensystem geschieht dies beispielsweise durch die Gravitation.
Bei Organismen (Mehrzellern) handelt es sich um Aggregationen aus Zellen, die sehr eng aneinander gekoppelt sind. In Tieren dient als maßgebliches Bindeglied dafür die sogenannte extrazelluläre Matrix, die die Gesamtheit der Makromoleküle, die sich außerhalb der Plasmamembran von Gewebeoder Organzellen befinden, darstellt. Eine ihrer Hauptaufgaben ist die Fixierung der in ihr eingebetteten Zellen. Eine Zelle kann die ihr einmal zugewiesene Lokation nicht mehr verlassen.
Wie bereits erwähnt wurde, bezeichnen Maturana und Varela Organismen als autopoietische Systeme zweiter Ordnung, wobei sie gleichzeitig anmerken, dass die Komponenten dieser Systeme – die Zellen – nur über eine sehr geringe Autonomie verfügen.
Mit den Organisationssystemen ist in der Natur ein neuer Systemtyp entstanden, den man auch als
Superorganismus
bezeichnen könnte. Anders als Mehrzeller binden moderne Superorganismen einen Großteil ihrer Elemente – Akteure wie Menschen und soziale Systeme (zum Beispiel weitere Organisationssysteme) – jedoch nicht fest und unveränderlich an sich, sondern in aller Regel recht locker über Verträge (
Kontrakte
). Die Fähigkeit, Verträge einzugehen und einzuhalten, ist Teil der menschlichen Kommunikationsund Kooperationsfähigkeit, die man – ähnlich der extrazellulären Matrix in Organismen – als den Kitt für den Zusammenhalt von Organisationssystemen bezeichnen könnte. Die Autonomie der Elemente ist in diesem Falle natürlich vergleichsweise hoch.
Ein Vertrag koordiniert und
Weitere Kostenlose Bücher