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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Selektionsinteressen stets noch um den ersten Schritt des gerade erwähnten Prozesses. Undwenn eine solche Person dann den ganzen Tag darum bemüht ist, ihre Position zu sichern oder gar zu verbessern, ihren Beitrag zum Erhalt des Unternehmens zu leisten, dann kann sie nicht gleichzeitig noch in aufwendige Fortpflanzungsaktivitäten verwickelt sein. Ein modernes Unternehmen belohnt nämlich Einsatz, Fleiß und Kreativität und nicht Faulheit, wie im Falle der Allmende. Ich werde auf dieses Dilemma moderner Gesellschaften, die sich um eine Angleichung der Lebensentwürfe beider Geschlechter bemühen, noch mehrfach zurückkommen.
    Nun könnte man die bisherigen Ausführungen als unzulässige Vereinfachungen kritisieren, wie dies ja auch anderen theoretischen Ansätzen der Soziologie vorgeworfen wird (Jäger/Meyer 2003: 20). Allerdings sind solche Abstraktionen auch in den Naturwissenschaften üblich (Randall 2006: 47ff.). Ich werde mich deshalb dieser Tradition anschließen und die Definition der sozialen Systeme zunächst einmal von allen unnötigen Details befreien 48 .
Definition (selbsterhaltendes) soziales System:
Ein (selbsterhaltendes) soziales System ist ein (selbsterhaltendes) System.
Die Elemente eines sozialen Systems sind soziale Systeme oder Menschen 49 (sogenannte Akteure), die sich in das soziale Systeme mit einemTeil ihrer Kompetenzen, Selbsterhaltungsinteressen 50 und Reproduktionsinteressen 51 einbringen.
    Anders als Lebewesen können sich soziale Systeme spontan wandeln, in mehrere Teile auseinander brechen (Teilung Deutschlands) oder wieder zusammenfügen (Wiedervereinigung Deutschlands). Die Biologie erklärt die Entstehung der Arten auf ganz entsprechende Weise. Beispielsweise sind die sogenannten Darwin Finken aus einer gemeinsamen Population hervorgegangen, haben sich dann aber in getrennten Lebensräumen unabhängig voneinander zu separaten Arten weiterentwickelt.
    Da soziale Systeme eine innere Ordnung besitzen, sind sie automatisch entropiearm. Selbsterhaltende soziale Systeme werden stets darum bemüht sein, den entropiearmen Zustand in ihrem Inneren möglichst lange aufrechtzuerhalten.
    Menschen können aufgrund ihrer Gehirnleistung und ihrer enormen Kooperationsfähigkeit an nahezu unbegrenzt vielen sozialen Systemen teilnehmen, wobei ein einzelner Mensch gleichzeitig Mitglied in sehr vielen unterschiedlichen Organisationen sein kann. Eine Person könnte beispielsweise tagsüber einem Unternehmen angehören, zweimal in der Woche abends in einer Bluesband spielen, an zwei weiteren Abenden für eine politische Partei tätig werden und am Wochenende den Vorsitz des lokalen Kaninchenzüchtervereins inne haben. Die Zugehörigkeit zu einer Organisation ist dann quasi dauerhaft und doch nur zeitweise. In der Regel erfolgt die konkrete Einbringung mittels Zeitallokation (im Zeitscheiben-Verfahren).
    Zum Schluss dieses Abschnitts möchte ich noch der Frage nachgehen, ob und wie sich Populationen beziehungsweise Gesellschaften von sonstigen sozialen Systemen wie Unternehmen (Organisationen, Organisationssystemen) unterscheiden und davon abgrenzen lassen.
    Gemäß Franz-Xaver Kaufmann ist eine zentrale Aufgabe eines Sozialstaates die Reproduktion des Humanvermögens, das heißt, den Nachwuchs oder die Rekrutierungspotenziale für die verschiedenen Gesellschaftsbereiche sicherzustellen (Kaufmann 2005a: 30). In der Sprache des vorliegenden Kapitelshieße das: Eine zentrale Aufgabe einer Gesellschaft ist es, den Nachwuchs für die verschiedenen sozialen Systeme bereitzustellen.
    Nun könnte sich aber eine Gesellschaft stattdessen für eine Verstärkung der Zuwanderung entscheiden, zum Beispiel, um die eigenen Bürger weitestgehend von der lästigen Nachwuchsarbeit zu befreien.
    Allerdings müssen aus Gründen der Generationengerechtigkeit vorhandene Erfolgsmerkmale auch in modernen menschlichen Gesellschaften noch immer in ausreichendem Maße an die nächste Generation weitergegeben werden, was – wie noch erläutert wird – zwingend voraussetzt, dass sich diejenigen, die besonders viele Kompetenzen besitzen, nennenswert an der gesellschaftlichen Reproduktion beteiligen.
    Bei einer alternativen Präferierung von Zuwanderung zur Reproduktion des Humanvermögens ließe sich dann aber fragen, wo der Prozess terminieren soll, denn im Prinzip könnten ja alle Gesellschaften in dieser Weise verfahren. Am Ende gäbe es dann vielleicht noch einige wenige Staaten, die sich auf die Menschenproduktion

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