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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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regelt das soziale Verhalten durch eine gegenseitige Selbstverpflichtung. Er wird freiwillig zwischen zwei oder mehr Parteien geschlossen. Im Vertrag verspricht jede Partei der anderen, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen und damit eine von der anderen Partei gewünschte Leistung zu erbringen. Auf diese Weise wird die Zukunft für die beteiligten Parteien berechenbarer. Die Vertragsfreiheit gehört zu den Grundelementen der Marktwirtschaft.
    Gemäß Niklas Luhmann (siehe die Abschnitte
Luhmannsche Systemtheorie
auf Seite → und
Systemtheorie (Parsons/Luhmann)
auf Seite → ) entstehen soziale Systeme durch Kommunikation. Das vorliegende Buch vertritt in dieser Hinsicht jedoch eine andere Auffassung, beispielsweise dass sich Organisationssysteme aus Akteuren (den Elementen) zusammensetzen, die an das System durch Kontrakte gebunden sind.
3.9 Systemflexibilität
    In der Praxis kann sich die konkrete Ausgestaltung der OrganisationssytemElemente-Bindung jedoch recht unterschiedlich darstellen. Dies wird umso deutlicher, wenn auch noch die historische Perspektive in die Betrachtung mit einbezogen wird. So war bis etwa Mitte des 18. Jahrhunderts der Haushalt noch das Zentrum des Wirtschaftsgeschehens, in dem abhängig Beschäftigte nicht nur arbeiteten, sondern auch schliefen und ihre Mahlzeiten einnahmen (Sennett 2007: 40f.).
    Dies änderte sich schlagartig mit der Industrialisierung und dem Aufkommen größerer Fabriken, die in aller Regel keine Unterkunft mehr auf dem eigenen Fabrikgelände boten. Gleichzeitig rekrutierten sie ihre Arbeiter in einem so weiten Radius, dass diese nicht selten mit dem Pferd statt zu Fuß zur Arbeit kommen mussten (Sennett 2007: 41).
    In der Folge entstanden immer größere Fabriken und Unternehmen, denn Größe war gleichbedeutend mit Kosteneffizienz. Wie wir im Abschnitt
Ausdifferenzierung
auf Seite → gesehen haben, differenzieren sich solche Systeme dann nach innen aus, und zwar aus Gründen der Komplexitätsreduzierung. Vielfach entstanden auf diese Weise gigantische Unternehmen mit zahlreichen Hierarchieebenen und einer fast militärischen Ordnung. Ein Höhepunkt dieser Produktionsweise dürfte das General Motors-Werk Willow Run in Michigan gewesen sein (Sennett 2007: 51f.):
    Willow Run war ein Gebäude von einem Kilometer Länge und 400 Metern Breite. Alle zur Automobilherstellung notwendigen Materialien, vom Rohstahl über Glas bis zum Leder, waren unter einem Dach versammelt, und die Arbeit wurde von einer hochdisziplinierten Bürokratie aus Analytikern und Managern gesteuert. Eine so komplexe Organisation konnte nur mit Hilfe präziser Regeln funktionieren (…). Dieser riesige, gutorganisierte Käfig folgte drei Prinzipien: „der Logik der Größe, der Logik der ‚metrischen Zeit’ und der Logik der Hierarchie“.
    Allerdings ist diese Zeit längst vergangen. Heute spricht man stattdessen von Flexibilität, Reengineering, Reorganisation, Teamarbeit, Projekten, Arbeitsfeldern, Netzwerken und flachen Hierarchien, wodurch sich unmittelbar die Frage stellt, was sich in modernen Unternehmen organisatorisch gegenüber der gerade beschriebenen industriellen Produktionsweise verändert hat.
    Ein wesentlicher Unterschied dürfte darin bestehen, dass sich klassische Industrieunternehmen in Hierarchien und kleinere innere Einheiten – zumBeispiel Abteilungen – untergliedern, die aber selbst noch keine selbsterhaltenden Systeme und folglich auch nicht eigenständig lebensfähig sind, während sich moderne Unternehmen zunehmend in autonome Systeme mit eigenständigen Selbsterhaltungsinteressen (selbsterhaltende Systeme) ausdifferenzieren. Auf diese Weise entstehen dann heute Netzwerke aus weitestgehend unabhängigen Geschäftsbereichen, Gruppenunternehmen und Zulieferern, die seitens der übergeordneten Systeme (Gesamtorganisationen) zwar durch Gewinn-, Produktions- und Kostenvorgaben gesteuert werden, es den Subsystemen aber dennoch relativ freisteht, wie sie ihre jeweiligen Vorgaben verwirklichen wollen (Sennett 2007: 71). Eine klassische Befehlsstruktur kann dann praktisch entfallen, und es kommt zu einer Abflachung von Hierarchien.
    Moderne, netzwerkartig operierende Unternehmen sind durch flexible, schwache Bindungen zwischen ihren einzelnen Elementen gekennzeichnet (Sennett 2007: 27):
    „Netzwerkartige Gliederungen sind weniger schwerfällig“ als Befehlspyramiden, sagt der Soziologe Walter Powell, „sie lassen sich einfacher auflösen oder umorganisieren als starre

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