Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
Vom Netzwerk:
Strukturen auf der Makroebene eines Systems auf der Grundlage des Zusammenspiels seiner Elemente. Wesentlich dabei ist, dass sich die emergenten Eigenschaften des Gesamtsystems nicht auf Eigenschaften seiner Systemelemente zurückführen beziehungsweise aus diesen vorhersagen lassen.
    Einige Theoretiker halten die Nichterklärbarkeit emergenter Eigenschaften komplexer Systeme auf der Grundlage der Beschreibung ihrer Elemente für lediglich vorläufig (schwache Emergenzthese), andere sind dagegen der Auffassung, dass Systeme echte emergente Eigenschaften besitzen können, die prinzipiell nicht auf die Eigenschaften ihrer Systemkomponenten zurückgeführt werden können (starke Emergenzthese).
    In unmittelbarem Gegensatz zur
Emergenz
steht der Begriff der
Reduktion
(Mitchell 2008: 35). Lange Zeit galt der Reduktionismus – speziell in den Naturwissenschaften – als die allein akzeptierte wissenschaftliche Methode (Mitchell 2008: 33):
    Es gibt stärkere und schwächere Versionen der Reduktion: ontologische, erkenntnistheoretische und methodische (…). Allen gemeinsam ist die Vorstellung, dass die Erklärung „aufwärts“ gerichtet ist – vom Verhalten der Grundbestandteile zum Verhalten des aus ihnen zusammengesetzten Systems. In seiner stärksten Version behauptet der Reduktionismus: Kausale Fähigkeiten liegen ausschließlich auf der Ebene der Grundbestandteile, und die Erklärung eines Systems von Verhaltensweisen gewinnt nichts hinzu, wenn man die Eigenschaften höherer Ebenen anspricht. (…) Betrachtet man die Methodologie, so strebt man mit der reduktionistischen Strategie nach Erklärungen für das Verhalten eines Gebildes, indem man das Verhalten seiner grundlegenden Bestandteile erklärt.
    Moderne Emergenztheoretiker weisen meist auf den Umstand hin, dass in komplexen Systemen zwischen den Systemelementen eine solche Vielfalt an Beziehungen und Regelkreisen mit zum Teil mehrfachen Rückkopplungsschleifen bestehen kann, dass zahlreiche Systemeigenschaften nicht mehr auf die Eigenschaften und das Verhalten von Systemkomponenten zurückgeführt werden können. Solche Systemeigenschaften wären dann als emergent zu bezeichnen. Sie sind als so real anzusehen, dass sie in übergeordneten Systemen kausal zur Geltung kommen können (Mitchell 2008: 47f.):
    Emergenz bedeutet in diesem neuen Sinn (…), dass die Wechselbeziehungen zwischen den Einzelteilen zu neuen Eigenschaften führen können, die keines der Einzelbestandteile besitzt, und dass diese Eigenschaften höherer Ordnung ihrerseits kausal wirksam werden können. Der Unterschied zwischen der früheren und neuen Verwendung des Begriffs besteht aber darin, dass wir heute durch mehr konkrete wissenschaftliche Beschreibungen wissen, wie und warum einfache Gesetzmäßigkeiten der Interaktion zwischen Individuen zu emergenten Verhaltensweisen führen, die sich nur schwer voraussagen lassen. Gegenstand dieser Beschreibungen sind zahlreiche vorwärts und rückwärts gerichtete Rückkopplungsschleifen, die nicht linear sind, sondern äußerst empfindlich auf anfängliche und später entstehende äußere Bedingungen reagieren. (…)
    Selbst wenn ein Verhalten, das auf einer höheren Organisationsebene beschrieben wird, in einem gewissen Sinn durch die Wechselbeziehungen zwischen Elementen auf einer niedrigeren Organisationsebene in einer nichtlinearen Dynamik festgelegt wird, lässt es sich nicht vorhersagen. In solchen Fällen spielt es keine Rolle, wie genau unsere Messungen sind: Immer wird uns ein unmessbarer Unterschied entgehen, der für den Endzustand des Systems von Bedeutung sein kann. Der erkenntnistheoretische Aspekt, wonach Emergenz mit Unvorhersehbarkeit gleichgesetzt wird, ordnet den Emergenzbegriff automatisch bestimmten Verhaltenseffekten nichtlinearer Systeme zu.
    Ein wesentlicher Aspekt emergenter Eigenschaften ist also deren Unvorhersehbarkeit.
    Eng verwandt mit der Emergenz ist der Begriff der
Irreduzibilität
: Emergente Eigenschaften können bei einer reduktionistischen Betrachtungsweise nicht entdeckt werden, da sie sich erst im Zusammenwirken der verschiedenen Systemelemente ausbilden. Sie sind also nicht auf das Verhalten oder die Eigenschaften von Teilsystemen zurückführbar, das heißt, irreduzibel.
    Damit in Beziehung steht auch das Konzept der sogenannten
irreduzibel komplexen Funktionen
, deren häufiges Auftreten in der Natur gemäß den Vertretern des Intelligent Designs – und damit Kritikern der Evolutionstheorie – beweisen

Weitere Kostenlose Bücher