Evolution
durchgehen
lassen. Er kletterte auf die untersten Äste eines Baums,
trommelte wild und schrie so laut, dass die Vögel gestört
wurden, die hoch über ihm nisteten. Dann sprang er wieder auf
den Boden. Er steigerte sich derart in Rage, dass das Fell sich
sträubte und bekam eine stolze rosig-purpurne Erektion. Das war
ein schöner Kontrapunkt, quasi sein Markenzeichen.
Felsbrocken ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Er warf
sich selbst in Positur und schwang das Affenbein wie einen
Knüppel. Sein Stampfen, Springen und Trommeln war genauso
beeindruckend wie Capos Vorführung.
Capo wusste, dass er diese Auseinandersetzung unbedingt für
sich entscheiden musste. Wenn er nun klein beigab, verlor er
angesichts Felsbrockens Kreis blutrünstiger Jäger
vielleicht nicht nur seinen Status, sondern auch gleich das
Leben.
Mit einer Beweglichkeit, die man ihm bei seinem Alter gar nicht
mehr zugetraut hätte, machte er einen Satz, schlug Felsbrocken
nieder und setzte sich auf seine Brust. Dann deckte er Felsbrockens
Kopf und Oberkörper mit harten Schlägen ein. Felsbrocken
wehrte sich zwar. Doch außer der Jugend war Capo im Vorteil und
warf Überraschungsmoment, Erfahrung und Autorität in die
Waagschale. Felsbrocken war unter Capo eingeklemmt und vermochte die
kräftigen Arme und Beine nicht richtig zum Einsatz zu
bringen.
Capo sah, dass er den Kampf in den Augen der restlichen Horde
allmählich für sich entschied, was genauso wichtig war wie
der Sieg über Felsbrocken. Die Gefolgsleute des jungen
Männchens schienen zwischen den Bäumen verschwunden zu
sein, und die Erregungsschreie und Anfeuerungsrufe, die Capo
hörte, schienen nun ihm zu gelten.
Doch selbst während er Felsbrocken niederrang, wurde der
intelligente Capo durch etwas abgelenkt.
Er dachte an die sterbenden Bäume, die er vom Rand der
Waldinsel aus gesehen hatte, an die schnelle Rückkehr von
Felsbrocken und seiner Truppe, an ihren offensichtlichen Hunger und
den Jagdtrieb.
Felsbrocken hatte keinen anderen Platz gefunden. Das
Wäldchen schrumpfte. Es war immer kleiner geworden, solange
er sich erinnerte, und nun vermochte man die Augen nicht mehr davor
zu verschließen. Es gab nicht mehr genug Platz für sie.
Wenn er die Gruppe hier zu behalten versuchte, würden wegen der
Konkurrenz um die schwindenden Ressourcen die Spannungen unter ihnen
unerträglich werden.
Sie würden weiterziehen müssen.
Schließlich gab Felsbrocken auf. Er erschlaffte unter Capo,
umfasste das Hinterteil des älteren Männchens und
streichelte ihm sogar kurz den noch immer erigierten Penis –
Gesten der Unterwerfung. Um ihm seinen Standpunkt nachhaltig
klarzumachen, bearbeitete Capo noch für eine Weile Felsbrockens
Kopf. Dann stieg er vom geschlagenen jungen Männchen herunter.
Mit immer noch gesträubtem Fell schlug er sich in die
Büsche, wo er ungeniert humpeln und die schmerzende Brust
massieren durfte, ohne dass die anderen ihm das als Schwäche
auslegten.
Hinter ihm fielen die anderen über die Meerkatze her. Ihre
Mägen vermochten Fleisch nicht gut zu verdauen; sie würden
später den Kot nach halb verdauten Fleischbrocken durchsuchen
und sie nochmals essen. Das Verdauungssystem bedurfte der
Verbesserung, wenn die Nachkommen dieser Geschöpfe in der
Savanne überleben wollten.
II
Seit Streuners Zeiten hatte Gras die Welt verändert. Die
epochale Abkühlung der Erde dauerte an. Je mehr Wasser in der
antarktischen Eiskappe gebunden wurde, desto weiter sank der
Meeresspiegel, und Binnenmeere schrumpften oder wurden vom Ozean
getrennt. Und in dem Maß, wie die kontinentalen Landmassen die
Meere verdrängten, vermochten sie immer weniger als Puffer
für die klimatischen Wärme- und Kälteextreme zu
dienen. Das verwitternde Gestein zog Kohlendioxid aus der Luft und
verringerte ihre Fähigkeit, die Sonnenwärme zu speichern.
Der Planet hatte durch die Abkühlung und Austrocknung einen
Rückkopplungs-Mechanismus in Gang gesetzt, der den Trend zur
Trockenheit und Abkühlung weiter verstärkte.
Inzwischen entstanden durch tektonische Kollisionen neue
Gebirgszüge: die Anden in Südamerika und der Himalaja in
Asien. Diese neuen Auffaltungen warfen riesige Regen-Schatten
über die Kontinente; in einem solchen Schatten sollte bald die
Wüste Sahara entstehen. In der neuen Trockenheit schoben
große Laubwald-Gebiete sich von Süden und Norden auf den
Äquator zu.
Und das Grasland breitete sich aus.
Gräser, die in großen Mengen auftraten und durch vom
Wind
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