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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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abrissen, die scharfen
Blattränder umklappten und das ganze Paket in den Mund
steckten.
    Wie sie im idyllischen Bergwald saßen und genüsslich
ihre Blätter aßen, würden sie fast unverändert
bis ins Menschenzeitalter überleben, wo sie schließlich
vom großen Sterben dahingerafft werden sollten.
    Als er sich vergewissert hatte, dass die Gorillas keine Gefahr
bedeuteten, verzog Capo sich und führte die anderen weiter durch
den Wald.
    Schließlich trat Capo auf der anderen Seite aus dem Wald
heraus.
    Sie hatten das trockene Tiefland-Becken überwunden. Als er in
südlicher Richtung über das Plateau schaute, das er
erreicht hatte, erblickte er ein geröllübersätes Tal,
das zu einem tiefer gelegenen Gelände abfiel. Und dort, jenseits
des Tals, sah er auch das Land, in das er seine Hoffnung gesetzt
hatte: Es lag höher als die Ebene, von der er ausgezogen war,
aber mit reichlich Wasser gesegnet. Das Gebiet war mit schimmernden
Seen durchsetzt, mit grünem Gras überzogen und mit
Waldinseln gesprenkelt. Die schemenhaften Gestalten einer Herde
Pflanzenfresser – Proboscidea vielleicht –, die
majestätisch über die üppige Ebene wanderten.
    Mit Triumphgeheul sprang er über Felsbrocken, trommelte auf
den steinigen Boden und schiss explosiv, wobei er die Felsen mit
seinem Gestank imprägnierte.
    Die Begeisterung von Capos Horde hielt sich jedoch in Grenzen.
Alle hatten Hunger und einen brennenden Durst. Capo war selbst
erschöpft. Aber er führte trotzdem einen Freudentanz auf;
er gehorchte einem gesunden Instinkt, dass jeder Erfolg, und sei er
noch so klein, gefeiert werden müsse.
    Nun hatte er jedoch eine solche Höhe erreicht, dass dieses
ferne Dauer-Grollen aus dem Westen lauter geworden war. Mit
verhaltener Neugier drehte Capo sich um und schaute in diese
Richtung.
    Von dieser hohen Warte aus vermochte er weit zu blicken. In der
Ferne machte er eine Turbulenz aus, eine weiße Verwirbelung.
Sie schien wie eine wallende Wolke überm Erdboden zu schweben.
In Wirklichkeit sah er eine Art Luftspiegelung, ein weit entferntes
Bild, das durch die Brechung der sich erwärmenden Luft direkt
vor ihm zu stehen schien. Die wallende Wolke war indes real.
    Was er da sah, war die Straße von Gibraltar, wo der
mächtigste Wasserfall der Geschichte – mit der Energie und
dem Volumen von tausend Niagarafällen – kaskadenartig
über Klippen stürzte und sich in ein leeres Meeresbecken
ergoss. Einst hatte die Ebene, aus der Capo emporgestiegen war, zwei
Kilometer tief unter dem Meeresspiegel gelegen. Sie war der Boden des
ausgetrockneten Mittelmeers.
    Capo war in dem Becken geboren worden, das zwischen den
Küsten Afrikas im Süden und der iberischen Halbinsel im
Norden lag. Er war auch nicht weit von dem Punkt entfernt, wo ein
schlauer Dinosaurier namens Lauscher vor langer Zeit an der
Küste von Pangäa gestanden und aufs weite Tethys-Meer
hinausgeschaut hatte. Nun hatte Capo das Bassin verlassen und befand
sich in Afrika. Doch wenn Lauscher die Geburt von Tethys geschaut
hatte, war Capo in gewisser Weise Augenzeuge seines Todes. Als der
Meeresspiegel absank, war dieses letzte Fragment von Tethys vor
Gibraltar gestaut worden. Das eingeschlossene Meer war verdunstet und
hinterließ ein stellenweise fünf Kilometer tiefes Becken,
das mit Salzpfannen durchsetzt war.
    Durch die Klimaschwankungen stieg der Meeresspiegel aber wieder
an, und das Wasser des Atlantiks durchbrach die Barriere von
Gibraltar. Nun wurde das Meer wieder aufgefüllt. Capo musste
jedoch nicht befürchten, dass eine riesige Flutwelle aus Westen
über ihm zusammenschlug, denn nicht einmal tausend
Niagarafälle vermochten ein Meer über Nacht
aufzufüllen. Das durch die Meerenge von Gibraltar strömende
Wasser flutete das Becken allmählich und erschuf mächtige
Flüsse. Der alte Meeresboden verwandelte sich in feuchtes
Marschland, wo die Vegetation langsam abstarb. Schließlich
vereinigten die Flüsse sich und bedeckten den ganzen Boden.
    Doch nach jeder Auffüllung sank der Meeresspiegel, und das
Mittelmeer verdunstete wieder. Das geschah fünfzehn Mal in einer
Million Jahren, der zeitlichen Klammer für Capos kurzes Leben.
Der Meeresboden des Mittelmeers erlangte durch die aufeinander
folgenden Austrocknungen eine komplexe Geologie mit einer
Sandwichstruktur aus Schlamm und Salzpfannen.
    Diese Strukturen hatten maßgebliche Auswirkungen auf das
Gebiet, in dem Capo lebte – und auf seine Art. Vor der
Austrocknung war die Sahara-Region dicht bewaldet und

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