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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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spürte er wieder dieses Zwicken am Hals.
Er wurde von dem Fellding aufgehoben und spürte, wie spitze
Zähne sich ihm ins Fleisch gruben. Zuerst wehrte er sich und
scharrte mit den Händen im Geröll, doch dadurch rissen die
Wunden am Hals nur weiter auf, und der Schmerz wurde
stärker.
    Er gab auf. Er hing schlaff im Maul der Chasma und schlug mit dem
Kopf und den verletzten Beinen auf den unebenen Boden. Die Gedanken
verflüchtigten sich. Er hörte nicht mehr die lauten Schreie
der Horde. Er war nun allein, allein mit dem Schmerz, dem
metallischen Geruch seines eigenen Bluts und den stetigen Schritten
der auf Samtpfoten einher schreitenden Chasma.
    Vielleicht war er auch für eine Weile bewusstlos.
    Er fiel auf den Boden. Er fiel nicht hart, aber alle Wunden
schmerzten. Winselnd versuchte er sich hochzustemmen. Der Boden war
mit Geröll übersät wie der Ort, von dem er gekommen
war, war aber mit Fellbüscheln bedeckt und stank nach
Chasmas.
    Und nun sprangen in der Dunkelheit kleine schwarze Gestalten um
ihn herum. Sie bewegten sich schnell, aber auch etwas tapsig. Er
spürte Schnurrhaare über sein Fell streichen und spitze
Zähnchen in den Fußknöcheln und Handgelenken. Das
waren Chasma-Junge. Er stieß einen trotzigen Schrei aus und
schlug blindlings um sich. Dabei erwischte er ein warmes kleines
Bündel, das jaulend von den Füßen gerissen wurde.
    Ein kurzes bellendes Brüllen ertönte: Das war die
Chasma-Mutter. In plötzlicher Panik versuchte er davon zu
kriechen.
    Die Jungen kläfften aufgeregt, als sie die kurze
Verfolgungsjagd beendet hatten. Und nun fraßen sie ihn
ernstlich an und schlugen ihm die Zähne in den Rücken, das
Gesäß und den Bauch. Er rollte sich auf den Rücken,
zog die Beine an die Brust und schlug in die Luft. Aber die Jungen
waren ebenso schnell wie zornig und hartnäckig; bald hatte einer
ihm die Zähne in die Backe geschlagen und hängte sich mit
seinem ganzen Gewicht an ihn, um ihm das Gesicht
aufzureißen.
    Mit einem neuerlichen Brüllen verscheuchte die Mutter die
Jungen. Wieder versuchte Elefant zu fliehen. Wieder holten die Jungen
ihn ein und brachten ihm ein Dutzend weitere kleine, aber
schwächende Wunden bei.
    Ohne die Jungen hätte das Chasma kurzen Prozess mit Elefant
gemacht. Doch sie wollte ihnen die Gelegenheit geben, zu üben,
eine Beute zu jagen und zu erlegen. Wenn sie älter wären,
würden sie ihre Beute selbst zur Strecke bringen und
zerfleischen; später würde die Mutter ihre Beute fast
unverletzt wieder laufen lassen und die Jungen auf sie ansetzen. Das
war eine Art praxisbezogenes Lernen, hatte aber genauso wenig mit
menschlicher Ausbildung zu tun wie bei den Menschenaffen: Es war ein
angeborenes Verhalten, das diese kluge Fleischfresser-Spezies
entwickelt hatte, um die Jungen mit den Fertigkeiten auszustatten,
die sie für die Jagd brauchten.
    Während der ›Unterricht‹ weiterging, war Elefant
noch bei Bewusstsein. Ein Funken Entsetzen und Sehnsucht, der in
einer zerfetzten Hülle aus Blut, Fleisch und Gewebe eingebettet
war. Das älteste Junge knabberte seine Zunge an, die ihm aus dem
zerstörten Mund hing.
    Aber die Jungen waren noch zu klein, um Elefant allein den Garaus
zu machen.
    Schließlich griff die Mutter ein. Das Letzte, was Elefant
hörte, als ihr Maul sich um seinen Kopf schloss – er
spürte spitze Zähne am Kopfumfang wie eine Dornenkrone
–, war dieses entfernte schnurrende Grollen.
     
    Am nächsten Morgen wussten alle, dass es Elefant erwischt
hatte.
    Capo schaute fasziniert auf den mit Haaren übersäten
Geröllabschnitt, wo Elefant kurz Widerstand geleistet hatte, auf
die Linie aus blutigen Pfotenabdrücken, die schon eingetrocknet
und braun verfärbt waren und in der Ferne verschwanden. Er
verspürte ein vages Bedauern beim Verlust von Elefant. Es
verwirrte ihn, dass er diesen unbeholfenen Jungen nie mehr wieder
sehen würde, der sich beim Kämmen und Knacken von
Palmnüssen so ungeschickt angestellt hatte.
    Doch der Tag war noch nicht vorbei, als nur Elefants Mutter sich
noch an ihn erinnerte. Und wenn sie irgendwann starb, würde
niemand mehr wissen, dass er jemals gelebt hatte. Er würde im
großen Dunkel verschwinden, das all seine Vorfahren
verschlungen hatte.
    Elefant hatte den Preis für das Überleben der Horde
gezahlt. Capo verspürte eine kalte Erleichterung. Ohne zu
zögern bewegte Capo sich den Anhang hinunter und betrat die
Salzebene. Er verzichtete sogar auf die Aufforderung an die Horde,
ihm zu

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