Evolution
wasserreich
gewesen und hatte vielen Affenarten eine Heimat geboten. Durch die
Klimapumpe der Austrocknungen und den immer längeren
Regenschatten, den der entfernte Himalaja warf, wurde die Sahara
jedoch immer trockener. Die alten Wälder starben ab. Und mit
ihnen zersplitterten die Affen-Gemeinschaften, wobei jede
Teil-Population sich auf eine Reise zu einem neuen evolutionären
Schicksal begab – oder in den Untergang.
Aber das Rumoren und Gibraltar waren zu weit entfernt, um
irgendeine Bedeutung für Capo zu haben. Er wandte sich ab und
stolperte zur Ebene hinab.
Schließlich überschritt er die Grenze zwischen nacktem
Gestein und Vegetation. Er genoss das weiche grüne Gras unter
den Knöcheln, während er sich zügig fortbewegte. Auch
die anderen, die ihm folgten, freuten sich über den Kontrast zum
harten leblosen Fels. Sie rollten sich auf dem Boden, streckten sich
aus und wickelten sich in die langen Gräser.
Aber noch hatten sie die neue Heimat nicht erreicht. Ein ein paar
hundert Meter breiter Abschnitt offener Savanne, mit Dornbüschen
bewachsen, trennte sie vom nächsten Wald – und in der Ebene
tat sich etwas.
Ein Rudel Hyänen fraß an einem Kadaver. Bei der
massigen runden Form hatte es sich vielleicht um ein junges
Gomphotherium gehandelt, das einem Chasma zum Opfer gefallen war. Die
Hyänen schnappten nacheinander und knurrten sich gegenseitig an,
während sie sich über das Fleisch hermachten. Sie hatten
die Köpfe in den Bauch der Kreatur gesteckt, und die schlanken
Leiber krümmten sich gierig beim Fressen.
Wedel und Finger schlossen zum im Gras kauernden Capo auf. Sie
stießen leise Rufe aus, kämmten Capo mechanisch den
Rücken und entfernten Staub und Steinchen. Die jüngeren
Männchen respektierten seine Autorität noch. Aber Capo
spürte ihre Ungeduld. Wie der Rest der Horde waren auch sie nach
der unheimlichen Wanderung durch das offene Gelände
erschöpft, durstig und hungrig und sehnten sich nach dem Schutz
und dem Nahrungsangebot der Bäume. Und das untergrub Capos
Autorität über sie. Die Spannung zwischen den drei
Männchen war mit Händen zu greifen.
Aber es war eine Konfrontation, die fast lautlos ablief, denn die
drei durften ihre Anwesenheit den Hyänen nicht verraten.
Während Capo noch zögerte, ergriff Wedel die Initiative
und machte einen, zwei vorsichtige Schritte. Wegen dieses Ungehorsams
versetzte Capo ihm einen derben Schlag gegen den Hinterkopf. Wedel
fletschte aber nur die Zähne und entzog sich Capos
Reichweite.
Die hohen Gräser wogten träge bei Wedels Durchgang, als
ob er durch ein Meer aus Vegetation schwämme. Und nun stellte
Wedel sich auf die Hinterbeine und schob sich mit Kopf, Schultern und
Oberkörper übers Gras, um besser zu sehen. Er war ein
schlanker aufrechter Schemen, der wie ein Schössling wirkte.
Die Hyänen waren noch immer mit ihrer fetten Beute zugange.
Wedel duckte sich wieder im Gras und setzte den Weg fort.
Schließlich erreichte er die nächste Baumgruppe. Mit
einer Mischung aus Verärgerung und Erleichterung sah Capo ihn
eine hohe Palme erklimmen. Beine und Arme arbeiteten synchron wie
Teile einer gut geölten Maschine. Als Wedel die Palme erklommen
hatte, teilte er es den anderen mit einem leisen Ruf mit. Dann
pflückte er Nüsse von der Palme und warf sie auf den
Boden.
Einer nach dem andern eilten die Menschenaffen unter der
Führung von Finger und dem Alpha-Weibchen Blatt durchs Gras auf
das Wäldchen zu.
Sie wurden nicht von den Hyänen bedrängt, obwohl einige
der Aasfresser die verwundbaren Menschenaffen witterten. Sie hatten
das Glück, dass in den blutigen Kalkulationen der kleinen
Hyänen-Hirne die Verlockung des unmittelbar verfügbaren
Fleisches stärker war als die Versuchung, diese staubigen und
zerfleddert wirkenden Primaten anzugreifen.
Capo versuchte das Beste daraus zu machen. Er knuffte und schlug
die anderen Männchen, als ob die ganze Sache seine Idee gewesen
wäre und er sie auf dieser kurzen Wanderung führte. Die
Männchen ließen sich das gefallen, aber er spürte
dennoch eine Anspannung bei ihnen, einen subtilen Mangel an Respekt,
der ihm Unbehagen bereitete.
Beim Betreten des Waldes schwärmten die Menschenaffen
aus.
Capo schob sich durch eine Reihe schlanker junger Bäume und
stieß auf einen verlandeten See: eine türkisfarbene
Wasseroberfläche, die vom tröstlichen Grün-Braun des
Waldes eingerahmt wurde. Er lief zum Ufer, tauchte die Schnauze in
die kühle Flüssigkeit und trank.
Als die
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