Evolution
vollkommen, wie Ejat gehofft hatte, und sehr
hart.
Dann wanderten sie zur Siedlung zurück, um Hilfskräfte
für den Transport des Stamms anzuheuern. Obwohl man ihnen viele
Beileidsbekundungen wegen des Verlusts der drei Brüder
entgegenbrachte, war niemand von der Aussicht auf eine so lange und
schwierige Bergungsaktion im Wald angetan. Letztendlich waren es nur
Familienmitglieder – Ejan, Torr und ihre drei Schwestern –,
die zur gefällten Palme zurückkehrten.
Nachdem sie die Palme ins Lager geschafft hatten, ging Ejan sofort
an die Arbeit. Schicht für Schicht höhlte er den Baumstamm
aus, wobei er darauf achtete, das Herz an Bug und Heck nicht zu
beschädigen. Er benutzte Steinäxte und Dechsel, die schnell
stumpf wurden, aber genauso schnell nachgefertigt wurden.
Torr half ihm die ersten paar Tage. Doch dann zog er sich
zurück. Als das älteste Kind lastete die Verantwortung nun
auf ihm, und er widmete sich der Versorgung der Familie, damit sie
überleben konnte.
Nach ein paar Tagen brachte Ejans jüngste Schwester, Rocha,
ihm ein kleines Netz voller Datteln. Er legte die Datteln auf das
flache Heck, das er aus dem Holz schnitzte und steckte sie sich
während der Arbeit abwesend in den Mund.
Die fünfzehn Jahre alte Rocha war klein, dunkel und schlank
– ein stilles Mädchen mit einer intensiven Ausstrahlung.
Sie ging um den Baumstamm herum und schaute, was er schon geleistet
hatte.
Der Stamm war fast auf ganzer Länge ausgehöhlt. Die
breite Basis des Stamms war der Bug, und Ejan ließ dort eine
Plattform stehen, auf der ein Harpunier Platz nehmen konnte. Ein
kleiner flacher Sitz im Heck war für den Steuermann gedacht. Es
war ein erstaunliches Bild, wie ein Boot im Holz Gestalt annahm. Aber
die Kerbe, die Ejan in den Baumstamm grub, war noch arg flach, und
die Oberfläche rau und unbehandelt.
Rocha seufzte. »Du arbeitest so hart, Bruder. Osa hat ein
Floß an einem, höchstens zwei Tagen gebaut.«
Er richtete sich auf und wischte sich mit dem Arm den
Schweiß von der Stirn. Dann ließ er die nächste
stumpfe Axtklinge fallen. »Aber Osas Floß hat ihn
umgebracht. Das Meer zwischen uns und dem südlichen Land ist
nicht wie das ruhige Wasser des Flusses. Kein Floß ist stark
genug dafür.« Er strich über die Innenseite des
Einbaums. »In diesem Kanu werde ich geborgen sein. Und meine
Sachen. Selbst wenn ich kentere, wird mir nichts geschehen, weil das
Boot sich von selbst wieder aufrichtet. Schau hier.« Er klopfte
von außen gegen den Baumstamm. »Dieser Stamm ist
außen sehr hart, aber das Herz drinnen ist leicht. Das Holz ist
so leicht, dass es nicht einmal sinkt. So werde ich die
Überfahrt bestimmt schaffen, glaub mir.«
Rocha strich mit ihrer kleinen Hand übers bearbeitete Holz.
»Wenn du schon ein Kanu bauen musst, solltest du Rinde
verwenden, sagt Torr. Ein Rindenkanu ist leicht zu bauen. Er hat es
mir gezeigt. Es reicht, wenn du eine einzige Schicht Rinde nimmst und
sie vorne und hinten mit Lehmklumpen spreizt, oder du nähst es
aus Rindenstreifen zusammen und…«
»Und du musst auf der ganzen Reise Wasser schöpfen, und
bevor du die halbe Strecke geschafft hast, gehst du unter. Schwester,
ich muss mein Boot nicht zusammennähen, und es kann auch nicht
reißen; mein Kanu hält dicht.«
»Aber Torr sagt…«
»Er redet zuviel und tut zuwenig«, sagte er
schroff. »Ich habe die Datteln aufgegessen. Lass mich nun
allein.« Und er widmete sich wieder seiner Arbeit und
höhlte emsig den Stamm aus.
Aber sie blieb bei ihm. Stattdessen kletterte sie ins unfertige
Innere des Bootes. »Wenn ich dir nicht mit Worten helfen kann,
Bruder, dann vielleicht mit den Händen. Gib mir einen
Schaber.«
Er lächelte sie erstaunt an und gab ihr einen Dechsel.
Danach machte die Arbeit gute Fortschritte. Als das Kanu seine
annähernde Form angenommen hatte, hobelte Ejan die Wände
von innen dünner, um Platz für zwei Leute samt
Ausrüstung zu schaffen. Um das Holz zu trocknen und zu
härten, wurden planmäßig kleine Feuer im und unterm
Kanu angezündet.
Es war ein großer Tag, als Bruder und Schwester das Kanu im
Fluss zu Wasser ließen – Ejan am Bug, Rocha am Heck.
Rocha war noch eine unerfahrene Kanufahrerin, und das zylindrische
Boot kenterte bei jeder Gelegenheit. Aber es richtete sich genauso
schnell wieder auf, und Rocha lernte, ihren Gleichgewichtssinn
über die Mittellinie des Kanus zu verlängern, sodass sie
und Ejan das Kanu mit leichten Ausgleichsbewegungen zu stabilisieren
vermochten.
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