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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Doppelkanu nach,
als es die Flussmündung verließ. Ejan ging diese
demonstrative Missbilligung an die Nieren, und nicht einmal die Art
und Weise, wie das Boot mit sanftem, beruhigendem Schaukeln
zuverlässig durchs Wasser pflügte, vermochte ihn
darüber hinwegzutrösten.
    Diese kleine Expedition war jedoch der Anfang eines großen
Abenteuers.
    Auf der ganzen Halbinsel wurde Ejans Ausleger-Design
unabhängig voneinander in die Praxis umgesetzt. An manchen Orten
ging die Konstruktion wie bei Ejan aus Doppel-Kanus hervor, wobei der
Schwimmer des Auslegers ein stilisiertes zweites Kanu war. Andernorts
glich die Konstruktion einem gewölbten Floß. An wieder
anderen Orten experimentierten die Leute mit simplen Stangen, die sie
an den Dollborden der Kanus verlaschten, um die Schwimmeigenschaften
zu verbessern. Aus verschiedenen Ansätzen ging die
Ausleger-Konstruktion als einheitliche Lösung für die
Instabilität hervor, derentwegen die Kanus bisher auf die
Flüsse beschränkt gewesen waren.
    Und in späteren Generationen sollten die Nachkommen dieser
Leute in ihren Ausleger-Booten sich über Austral-Asien, den
indischen Ozean und Ozeanien ausbreiten. Im Westen kamen sie bis nach
Madagaskar an der afrikanischen Küste, im Osten über den
Pazifik bis zu den Osterinseln, im Norden bis nach Taiwan an der
chinesischen Küste und im Süden bis nach Neuseeland. Und
überallhin nahmen sie ihre Sprache und Kultur mit.
    Zu guter Letzt würden die Kinder dieser Fluss-Leute mehr als
zweihundertsechzig Grad des Erdumfangs abfahren.
    Die Überquerung der Meerenge zum neuen Land verlief ohne
Probleme und war im Vergleich zu den bisherigen Unternehmungen
geradezu ein Kinderspiel.
    Ejan und Rocha folgten einer unbekannten Küste. Dann kamen
sie zu einer Stelle, wo sie einen Wasserlauf sahen, der aus der
üppigen Vegetation des Binnenlands brach. Das musste
Süßwasser sein. Sie nahmen mit dem Katamaran Kurs auf die
Küste und legten sich in die Riemen, bis der Bug der Kanus sich
in den ansteigenden Meeresboden grub. Sie waren an einem Strand
gelandet, der von einem dichten, undurchdringlichen Wald gesäumt
wurde.
    »Ich zuerst, ich zuerst!«, rief Rocha und sprang aus dem
Einbaum – oder versuchte es zumindest. Nach der langen Zeit auf
See knickten die Beine ein, und sie rutschte aus und fiel lachend
rückwärts ins Wasser.
    Das war keine sehr feierliche Landung. Niemand hielt eine Rede
oder hisste eine Flagge. Und es wurde auch kein Denkmal errichtet;
vielmehr sollte dieser Landeplatz nach dreißigtausend Jahren im
ansteigenden Meer versinken. Trotzdem war es ein historischer Moment.
Rocha war nämlich der erste Hominide, der australischen Boden
betrat; der erste, der einen Fuß auf diesen Kontinent
setzte.
    Ejan ließ beim Aussteigen mehr Vorsicht walten. Dann standen
sie knietief im warmen Küstengewässer und zogen die Kanus
an den Strand.
    Rocha rannte zum Süßwasserlauf. Sie stürzte sich
hinein und aalte sich darin, trank ein paar Schlucke und
säuberte sich. »Bäh, ich bin ganz mit Salz
verkrustet…« Dann lief sie in jugendlichem Überschwang
aus dem Fluss in den Wald und suchte Frischobst.
    Ejan löschte erst einmal mit dem kühlen, frischen Wasser
den Durst und tauchte den Kopf unter. Dann ging er mit zitternden
Knien den Strand hinauf und unterzog den Dschungel einer Musterung.
Er erkannte Mangroven und Palmen – es war fast so wie zu Hause.
Er fragte sich, wie weit diese neue Insel sich wohl erstreckte. Und
er fragte sich, ob es hier auch Leute gab…
    Rocha quiekte leise. Er lief zu ihr.
    Im Dickicht rührte sich etwas. Es war groß, bewegte
sich aber fast lautlos. Es hatte die schreckliche, stille Aura eines
Reptils, die bei ihnen eine kreatürliche Angst hervorrief. Und
nun glitt das Ding aus dem Unterholz. Es war eine Schlange, wie Ejan
auf den ersten Blick sah, aber eine Schlange von einer
Größe, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. Sie
durchmaß mindestens einen Schritt und war sieben oder acht
Schritte lang. Bruder und Schwester packten sich gegenseitig und
rannten aus dem Wald auf den Strand zurück.
    »Bestien«, wisperte Rocha. »Wir sind in ein Land
mit riesigen Bestien gekommen.«
    Schnaufend und schwitzend schauten sie sich in die Augen. Und dann
schlug die Angst in Überschwang um, und sie brachen in
Gelächter aus.
    Sie humpelten zum Kanu zurück, holten das Holz und machten
ein Feuer: das erste Feuer, das dieses weite Land je gesehen
hatte.
    Aber nicht das letzte.

 
    Nordwest-Australien,
vor

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