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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Krokodile jetzt schon leid,
die sich die Zähne an unsrem Boot
ausbeißen…«
    »Ich habe das Kanu nicht für den Fluss gebaut«,
sagte Ejan ungerührt. »Ich habe es für das Meer
gebaut. Du weißt das. Und es war die Reise zum südlichen
Land, wofür unsre Brüder das Leben gelassen
haben.«
    Torrs Gesicht verhärtete sich. »Du denkst zuviel
über unsere Brüder nach. Sie sind fort. Ihre Seelen
sind bei Ja’an, bis sie in den Herzen neuer Kinder
zurückkehren. Ich habe dir zu helfen versucht, Ejan. Ich habe
dir dabei geholfen, den Baumstamm herzubringen. Ich hoffte, durch
diese Arbeit würden die schlimmen Träume aus deinem Kopf
verschwinden. Aber du bist nun an dem Punkt angelangt, wo du wie
deine Brüder bereit bist, dich vom Meer umbringen zu
lassen.«
    »Ich habe nicht die Absicht, zu sterben«, sagte Ejan.
Zorn loderte in ihm auf.
    »Und Rocha?«, fragte Torr schroff. »Willst du sie um deines Traums willen in den Tod schicken?«
    Ejan schüttelte verblüfft den Kopf. »Wenn Osa noch
am Leben wäre, würde er mit mir kommen.« Er schlug auf
die Rindenhülle von Torrs neuem Kanu. »Zwei Kanus sind
besser als eins. Wenn das Osas Kanu wäre, würde er es an
meinem vertäuen, und wir würden Seite an Seite übers
Meer fahren, bis…«
    »Bis ihr beide ertrunken seid!«, rief Torr. »Ich
bin nicht Osa. Und das ist auch nicht sein Kanu.« Erschrocken
sah Ejan den Ausdruck von Zorn, Frustration und Angst in seinem
Gesicht. »Ejan, wenn wir dich auch noch
verlieren…«
    »Komm mit mir«, sagte Ejan gleichmütig. »Mach
dein Kanu an meinem fest. Gemeinsam werden wir das Meer
bezwingen.«
    Torr schüttelte heftig den Kopf und vermied es, Ejan in die
Augen zu schauen.
    Traurig wandte Ejan sich zum Gehen.
    »Warte«, sagte Torr leise. »Ich werde nicht mit dir
gehen. Aber du kannst mein Kanu haben. Es wird neben deinem fahren.
Mein Körper wird hier bleiben und Wurzeln ausgraben.« Nun
lächelte er sehnsüchtig. »Aber meine Seele wird dich
im Kanu begleiten.«
    »Bruder…«
    »Komm einfach zurück.«
     
    Dass er auch über Torrs Kanu verfügen durfte, brachte
Ejan auf eine Idee.
    Das zweite Kanu wäre unbemannt und stattdessen mit Proviant
und Ausrüstung beladen. Das bedeutete, dass es leichter
wäre als Ejans, und deshalb wäre es unter dem Kriterium der
Stabilität auch keine gute Lösung gewesen, die beiden Kanus
aneinanderzukoppeln.
    Nach ein paar Überlegungen und Versuchen verband Ejan Torrs
robustes Rindenkanu über zwei lange Querbalken mit seinem. Durch
diese Anordnung wurden die beiden Kanus durch einen offenen
Holzrahmen miteinander verbunden, sodass daraus praktisch ein
Floß mit den Kanus als Schwimmer resultierte.
    Je mehr das Konzept Gestalt annahm, desto begeisterter war er von
der Idee. Vielleicht vermochte er mit dieser Neuerung die besten
Merkmale der beiden Konstruktionen zu vereinigen. Die Ruderer und
ihre Ausrüstung wären sicher im Einbaum untergebracht,
anstatt ungeschützt auf einem Floß zu sitzen, und das
zweite Kanu würde ihnen zugleich die Stabilität einer
großen Floßplattform verleihen.
    Mit Rocha erprobte er die neue Konstruktion im Fluss und in den
küstennahen Gewässern auf ihre Seetüchtigkeit. Das
Doppelrumpf-Design erwies sich zwar als schwerfälliger als ein
einzelnes Kanu, war aber weitaus stabiler. Obwohl sie weiter aufs
Meer hinausfuhren als beim ersten Versuch mit dem Einbaum, kenterten
sie kein einziges Mal. Und weil sie im Gegensatz zum Einbaum nicht
ständig Kraft darauf verwenden mussten, den Katamaran aufrecht
zu halten, war die Fahrt auch nicht annähernd so
anstrengend.
    Schließlich hatte Ejan das Gefühl, bereit zu sein.
    Er versuchte ein letztes Mal, Rocha davon abzuhalten, ihn zu
begleiten. Aber er sah in Rochas Augen eine Art von Rastlosigkeit,
eine felsenfeste Entschlossenheit, sich dieser großen
Herausforderung zu stellen. Wie Ejan hatte auch ihr Name eine lange
Tradition; vielleicht hatte es in der Linie der Rochas schon einmal
einen kühnen Entdecker gegeben.
    Sie beluden die Kanus mit Vorräten – Pökelfleisch
und Wurzeln, Wasser, Muscheln und Lederbeutel zum Lenzen, Waffen und
Werkzeuge, auch ein Bündel Feuerholz. Sie versuchten, sich auf
alle Eventualitäten vorzubereiten, denn sie hatten nicht die
geringste Ahnung, was sie an jenen grünen Gestaden im Süden
antreffen würden.
    Als sie diesmal aufbrachen, wurden sie nicht feierlich
verabschiedet. Die Leute drehten sich vielmehr weg und gingen ihren
Verrichtungen nach. Nicht einmal Torr schaute

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