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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bald waren sie – zumindest auf dem ruhigen Wasser
des Flusses – in der Lage, das Kanu ohne bewusste Anstrengung zu
kontrollieren, und mit den Paddeln erzielten sie eine gute
Geschwindigkeit.
    Nach den Versuchen auf dem Fluss verbrachte Ejan noch mehr Zeit
mit der Arbeit am Kanu. Stellenweise war das Holz beim Trocknen
geplatzt und gesplittert. Er kalfaterte die schadhaften Stellen mit
Wachs und Lehm und behandelte die inneren und äußeren
Flächen mit Harz, um ein neuerliches Splittern zu
verhindern.
    Als das vollbracht war, befand er, dass das Boot für die
Meereserprobung bereit sei.
    Rocha bestand darauf, ihn zu begleiten. Aber er war skeptisch. Sie
hatte zwar schnell gelernt, war aber noch ein ungeübtes und
relativ schwaches Kind. Trotzdem respektierte er schließlich
ihren Wunsch. Jung oder nicht, sie durfte nach Belieben über ihr
Leben verfügen. Das war die ›Geschäftsgrundlage‹
dieser Jäger und Sammler: Aus einer Kultur gegenseitiger
Abhängigkeit erwuchs zugleich gegenseitiger Respekt.
    Auf der Fahrt flussabwärts standen Fischer auf
Flößen und in Kanus auf und schwenkten jubelnd ihre
Harpunen und Fischernetze, und kreischende Kinder rannten am
Flussufer neben ihnen her. Ejan wurde vor Stolz ganz rot.
    Anfangs ging alles glatt. Auch nach dem Passieren der
Flussmündung blieb das Wasser ruhig. Rocha plapperte aufgeregt,
wie leicht das Meer es ihnen doch machte und wie schnell sie die
Überfahrt bewältigen würden.
    Ejan sagte aber nichts. Er sah, dass das Wasser vorm Bug des Kanus
bräunlich gefärbt und von Pflanzenresten und Schlamm
durchsetzt war. Sie waren noch immer im vorgeschobenen
Mündungsgebiet, wo das Flusswasser mit dem Meerwasser sich
vermischte. Wenn er das Wasser probierte, wäre es wahrscheinlich
süß. Es war, als ob sie den Fluss noch gar nicht verlassen
hätten.
    Und als sie dann doch von der Meeresströmung erfasst wurden,
wurde das Wasser – wie Ejan schon befürchtet hatte –
plötzlich viel turbulenter, und das simple zylindrische Kanu
geriet in kabbelige Kreuzseen. Kaltes Salzwasser schwappte gegen
Ejan. Routiniert und koordiniert warfen sie sich auf die Seite, um
das Boot aufzurichten, und sie tauchten nach Luft schnappend und
durchnässt wieder auf. Doch im nächsten Moment kenterte das
Kanu schon wieder. Durch die ständigen Rollen riss die
Dummy-Ausrüstung sich los, und Ejan sah die Steine, die er ins
Boot gepackt hatte, in der Tiefe versinken.
    Als das Boot sich schließlich stabilisierte, sah er, dass
Rocha über Bord gegangen war, aber sie tauchte schon wieder
prustend und schnaufend auf.
    Er wusste, dass das Experiment vorbei war. Er warf den Rest der
Steine ins Meer, paddelte mit schnellen Schlägen zu seiner
Schwester und barg sie. Dann ruderten sie zur Flussmündung
zurück.
    Als sie zum Lager zurückkehrten, fiel die
Begrüßung verhalten aus. Torr half ihnen dabei, das Kanu
ans Ufer zu ziehen, gab sich aber wortkarg. Ihre Mutter war nirgends
zu sehen. Sie waren noch nah genug an der Küste gewesen, dass
jeder ihre Manöver zu sehen vermochte und schmerzlich daran
erinnert wurde, was ihren Brüdern Osa, Born und Iner widerfahren
war.
    Dennoch dachte Ejan nicht daran, aufzugeben. Er wusste, dass die
Überfahrt im Kanu möglich war. Es war nur eine Frage der
Fertigkeit und Ausdauer – und er wusste auch, dass die arme
Rocha trotz ihrer Entschlossenheit diese Qualitäten noch nicht
hatte. Wenn er das südliche Land erreichen wollte, brauchte er
einen stärkeren Begleiter.
    Also wandte er sich an Torr.
    Torr arbeitete selbst an einem Kanu, einer aufwändigen
Konstruktion aus vernähter Rinde. Im Moment verbrachte er aber
die meiste Zeit mit Nahrungssuche und Jagen. Er hatte vom
ständigen Bücken über Büsche und Wurzeln einen
Buckel, und die große Wunde an der Brust, die ein Eber ihm
zugefügt hatte, heilte nur langsam.
    Ejan kam sein Bruder plötzlich viel älter vor. In Torr
sah er das bodenständige Verantwortungsbewusstsein, das er von
seinem Urgroßvater hatte, der ihm auch seinen Namen gegeben
hatte. »Komm mit mir«, sagte Ejan. »Das wird ein
großes Abenteuer.«
    »Die Überfahrt zu versuchen ist nicht…
nötig«, sagte Torr verlegen. »Es gibt hier viel zu
tun. Das Leben ist schwerer für uns geworden, Ejan. Wir sind so
wenige. Es ist nicht mehr so wie früher.« Er rang sich ein
Lächeln ab, aber der Blick war ernst. »Stell dir uns beide
in deinem prächtigen Kanu auf dem Fluss vor. Die Mädchen
werden auf uns fliegen! Und mir tun die

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