Evolution
fachte die Flamme mit Zunder an. Als das Feuer kräftig
brannte, zündete er Fackeln an und schleuderte sie in den
Wald.
Überall, wo die Fackeln landeten, loderten Flammen wie
Todesblumen auf.
Vögel flogen kreischend auf und flohen vorm Rauch, und
rattenartige kleine Kängurus stoben mit schreckgeweiteten Augen
an ihm vorbei. Als er wieder auf der Lichtung angekommen war, hatten
die einzelnen Brandherde sich schon zu einer einzigen Feuerwand
vereinigt.
Schließlich kam kreischend ein großes zweibeiniges
Wesen aus dem Wald gerannt. Es hatte das dunkle Gefieder gespreizt,
den langen Hals gereckt, und der Boden schien unter dem Wirbel der
muskulösen Beine zu erbeben. Das war ein Genyornis, ein riesiger
Entenvogel von der doppelten Größe eines Emus – einer
der größten Vögel aller Zeiten. Und Jana sah, dass
der Vogel unter Schock stand; die Augen waren geweitet, und der
unverhältnismäßig kleine Schnabel klaffte auf.
Und dann verfing der Vogel sich mit den großen
Füßen im Seil und stürzte sich durch sein
Trägheitsmoment voll in Janas Speer. Er war aber nicht sofort
tot. Mit gefesselten Füßen und aus dem Rücken
ragenden Speer flatterte der Genyornis mit den nutzlosen
Flügelchen. Auf einer tiefen Ebene des Bewusstseins
verspürte er eine Art von Bedauern, dass seine entfernten
Vorfahren die Kunst des Fliegens an den Nagel gehängt hatten.
Und dann kam ein schreiender Hominide angerannt, und eine Axt sauste
herab.
Die Flammen breiteten sich aus. Jana musste zusehen, dass er von
hier verschwand.
In Australien hatte es natürlich auch vor der Ankunft der
Menschen schon Waldbrände gegeben. Vor allem brachen sie in der
Monsunzeit aus, wenn es heftige Gewitter gab. In der Folge hatten
sich ein paar feuerresistente Pflanzenarten entwickelt. Aber sie
waren nicht weit verbreitet und schon gar nicht vorherrschend.
Doch das änderte sich nun. Überall, wohin die Menschen
kamen, betrieben sie Brandrodung, um das Wachstum von Nutzpflanzen zu
fördern und Jagdwild aufzuscheuchen. Die Vegetation hatte sich
bereits angepasst. Die von Natur aus robusten und weit verbreiteten
Gräser brannten lichterloh, überlebten das aber. Es hatte
sich sogar der Kerzenrinden-Eukalyptus entwickelt, der wie ein
›Brandstifter‹ wirkte: Brennende Rindenstücke wurden
abgestoßen und vom Wind über Dutzende Kilometer fort
getragen, wo sie dann neue Brände entfachten. Aber auf einen
Gewinner kamen hier unzählige Verlierer. Die feuerempfindlichen
Hölzer vermochten unter den neuen Bedingungen nicht zu bestehen.
Zypressenkiefern, die früher die vorherrschende Baumart gewesen
waren, wurden selten. Sogar manche Pflanzen, die den Menschen als
Nahrungsquelle dienten, wie ein paar Früchte tragende
Sträucher, wurden vernichtet. Und weil der Lebensraum der Tiere
abgebrannt wurde, implodierten die Populationen.
Von Ejans ursprünglichem Brückenkopf schwärmten die
Leute im Lauf der Generationen immer weiter entlang der Küsten
und Flussläufe aus. Es war, als ob eine große Feuer- und
Rauchwalze sich von der nordwestlichen Ecke Australiens ins Innere
dieses weiten roten Lands fräße. Und vor dieser Front der
Vernichtung kapitulierten die alten Lebensformen. Das Verschwinden
der Riesenmuscheln war erst der Auftakt der Auslöschung
gewesen.
Als Jana den Wald verließ, breitete das lodernde Feuer sich
immer noch aus, und Rauchsäulen stießen in den Himmel. Es
interessierte ihn aber nicht, welchen Schaden er verursacht
hatte.
Er vermochte natürlich nicht den ganzen Vogel mit nach Hause
zu nehmen. Aber es ging im Grunde auch gar nicht darum, dass er
Nahrung mitbrachte. Und als Jana mit dem aufgespießten Kopf des
Genyornis ins Lager zurückkehrte, erhielt er auch seinen Lohn.
Osu und die anderen klopften ihm belobigend auf die Schulter –
und Agema nahm sein Geschenk scheu entgegen.
New South Wales, Australien,
vor ca. 47.000 Jahren
III
Das Rindenkanu verharrte bewegungslos auf dem trüben Wasser
des Sees.
Jo’on und seine Frau Leda fischten. Jo’on stand im Boot
und hielt den Speer zum Zustoßen bereit. Der Speer hatte eine
Spitze aus Wallaby-Knochen, die scharf geschliffen und mit Harz
festgeklebt war. Leda hatte eine Leine aus gepresster Rindenfaser
gemacht und einen Haken aus einem Muschelstück daran befestigt.
Die Haken waren aber spröde und die Leine schwach, sodass Ledas
Part darin bestand, am Haken hängende Fische möglichst
vorsichtig zum Boot zu ziehen, wo Jo’on sie dann
aufspießte.
Jo’on war
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