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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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ca. 51.000 Jahren
II
     
     
    Auf der Landzunge eines steinigen Strands hatte Jana Muscheln
gesucht. Er war nackt außer einem Gürtel, an dem die
Netzbeutel baumelten, die seinen Fang enthielten. Er hatte eine
tiefbraune Haut und einen Lockenkopf. Mit seinen einundzwanzig Jahren
war er schlank, stark, groß und kerngesund – außer
dem lahmen Bein, das er nach einer leichten Kinderlähmung
zurückbehalten hatte.
    Schwitzend schaute er von der Arbeit auf. Im Westen setzte die
Sonne den täglichen Abstieg ins Meer fort. Wenn er die Augen
beschirmte, erkannte er Auslegerkanus und Silhouetten, die durch das
vom Meer reflektierte Licht scharf gezeichnet wurden. Der Tag neigte
sich dem Ende entgegen, und die Beutel um Janas Hüfte wogen
schwer.
    Genug für heute. Er drehte sich um und ging langsam auf der
Landzunge zurück. Er humpelte leicht.
    An der ganzen Küste gingen die Leute nun nach Hause, wie
Motten angelockt von den in den Himmel steigenden Rauchfäden.
Hier wimmelte es von Leuten, die auf engem Raum sich drängten
und von dem lebten, was das Meer und die Flüsse hergaben.
    Es war schon ungefähr fünfzig Generationen her, seit die
ersten Menschen Australien erreicht hatten. Ejan und Rocha waren
heimgekehrt und hatten die Kunde vom neuen Land verbreitet. Andere
waren ihnen gefolgt. Und ihre Nachkommen, die noch immer vom
Fischfang lebten, hatten sich entlang der ganzen australischen
Küste ausgebreitet und waren schließlich entlang der
Flüsse in die roten Ebenen vorgestoßen. Ejan und Rocha
waren aber die Pioniere gewesen. Noch immer wurden ihre Geister von
einer Generation an die nächste weitergegeben – Jana trug
nämlich den Namen von Ejan, und ihm wohnte auch Ejans Seele
inne. Die Geschichte der Überfahrt, wie sie in einem mit
Möwenfedern verkleideten Boot übers Wasser geflogen waren
und nach der Landung gegen riesige Schlangen und andere Ungeheuer
gekämpft hatten, wurde in der von Feuern erhellten Dunkelheit
von Schamanen erzählt.
    Jana kam nach Hause. Seine Leute lebten in einer Ansammlung aus
Hütten im Schutz eines stark verwitterten Sandsteinkliffs.
Überall lagen die Relikte seefahrender Leute herum: Kanus,
Katamarane und Flöße waren für die Nacht an den
Strand gezogen worden, ein Dutzend Harpunen waren wie ein Zelt
gegeneinander gelehnt worden, und überall lagen Haufen
halbfertiger oder zerrissener Netze herum.
    Auf der freien Fläche in der Mitte der Siedlung hatte man ein
großes Gemeinschaftsfeuer aus Eukalyptusstämmen
entzündet. Kleinere Feuer brannten in den mit Steinen
eingefassten Feuerstellen der Hütten. Man hatte Kochsteine in
die großen Feuer geworfen, und Männer, Frauen und
ältere Kinder schuppten fleißig Fische ab. Kleine Kinder
wuselten überall umher. Sie waren frech und machten viel
Lärm, wie Kinder das eben so machen, und waren zugleich ein Band
der Sympathie, das alle zusammenhielt.
    Jana vermisste aber Agema.
    Er nahm die Netzbeutel und ging zur größten Hütte.
Agema teilte die Hütte mit ihren Eltern, Groß-Cousins von
Janas Eltern und mit ihrer großen Geschwisterschar. Vorm
dunklen Eingang der Hütte atmete Jana durch, fasste sich ein
Herz und trat ein. Drinnen ging es ziemlich lebhaft zu, und es roch
nach Holzrauch, gepökeltem Fleisch, Babys, Milch und
Schweiß.
    Dann sah er sie. Sie säuberte gerade ein Kind, ein kleines
Mädchen mit wuscheligem Haar und rotzverschmiertem Gesicht.
    Jana hielt den Netzbeutel hoch. Die darin befindlichen Muscheln
glänzten. »Die habe ich dir mitgebracht«, sagte er.
Agema schaute auf und verzog den Mund zu einem Lächeln, aber sie
wich seinem Blick aus. Das Kind schaute ihn mit großen Augen
an. »Das sind die besten, glaube ich. Vielleicht könnten
wir…«
    Plötzlich schoss ein Fuß aus der Dunkelheit und traf
sein verkrüppeltes Bein. Es knickte sofort ein, und er fiel auf
den festgestampften Boden. Gelächter erschallte. Dann griff ihm
eine starke Hand unter die Achselhöhle und stellte ihn wieder
auf die Füße.
    »Wenn du sie beeindrucken willst, solltest du nicht zu gehen
versuchen – nicht mit so einem Bein. Du solltest wie ein
Känguru hüpfen…«
    Jana schaute mit knallrotem Gesicht in die tiefen Augen von Osu,
Agemas Bruder. Immer mehr Geschwister umringten ihn. Jana versuchte
den aufwallenden Zorn zu unterdrücken. »Du hast mir ein
Bein gestellt.«
    Als Osu den glühenden Zorn in Janas Augen sah, umwölkte
sein Gesicht sich. »Ich wollte dir nicht wehtun«, sagte er
sanft.
    Aber dieses unterschwellige

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