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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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zog
schläfrig ein Augenlid hoch, um nach der Ursache der
Störung zu spähen, und ließ es wieder sinken.
    Die Mädchen lagen auf dem staubigen, festgestampften Erdboden
des Dorfes. Es wurde von der großen windschiefen
Männer-Hütte beherrscht, einer wenig Vertrauen erweckenden
Konstruktion aus Bohlen und Schilf. Die Hütten der Frauen
umstanden diesen ›groben Klotz‹ als kleinere Satelliten.
Ein lautes Schnarchen aus der Männer-Hütte sagte den
Mädchen, dass der Schamane sich nach einer anstrengenden Nacht
mit Bier und Visionen ausschlief. Nichts regte sich: weder die Hunde
noch die Menschen. Die meisten Männer waren auf der Jagd, und
die Frauen dösten mit den kleinen Kindern in ihren Hütten.
Es liefen nicht einmal größere Kinder umher.
    Sion verrieb noch etwas Fenchel auf dem Mais. Das aromatische
Öl des Fenchels war eigentlich ein Schutz, den die Pflanze schon
vor dem Tod der Dinosaurier entwickelt hatte; das Öl sollte die
Blätter schmieren, damit lästige Insekten keinen Halt
darauf fanden. Und nun würzte das Resultat dieses
evolutionären Wettrüstens Sions Imbiss. »Du machst
Witze«, sagte Sion. »Juna, ich liebe dich von ganzem
Herzen. Aber du bist der oberflächlichste Mensch, den ich kenne.
Seit wann interessiert du dich auch nur eine getrocknete Feige
für Charakter…?«
    Juna schoss brennende Röte ins Gesicht.
    »Aha. Es gibt noch etwas, das du mir nicht sagen
willst.« Sion musterte Junas Gesicht, wie ein erfahrener
Jäger seine Beute taxierte. »Habt ihr beide etwa schon
beieinander gelegen?«
    »Nein«, blaffte Juna.
    Sion war immer noch argwöhnisch. »Ich glaube nicht, dass
Tori schon bei irgendjemandem lag. Außer bei Acta
natürlich.« Acta war einer der ältesten Männer
– zugleich auch der dickste –, aber er stellte nach wie vor
seine Stärke als Jagdführer unter Beweis und sicherte sich
somit seine Rechte an den Jungen und jungen Männern. »Ich
weiß, dass Tori genug davon hat, dass Acta mit seinem
stinkenden Schwanz in ihm herumstochert. Das hat Jaypee mir
nämlich gesagt! Bald wird er mit einer Frau zusammen sein
wollen. Aber jetzt noch nicht…«
    Juna vermochte ihrer Schwester nicht in die Augen zu schauen, denn
sie hatte bei Tori gelegen, wie Sion schon vermutet hatte. Es
war in einem Gebüsch passiert, als Tori sich mit Bier betrunken
hatte. Sie wusste nicht, weshalb sie ihn ranließ. Sie hatte
nicht einmal gewusst, ob er es überhaupt richtig gemacht hatte.
Am liebsten hätte sie ihrer Schwester alles erzählt, dass
die Blutung aufgehört hatte und dass sie schon spürte, wie
das neue Leben in ihr sich regte, aber das konnte sie nicht. Die
Zeiten waren hart – die Zeiten waren eigentlich immer hart
–, und es war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von einem
grünen Jungen ein Kind machen zu lassen. Sie hatte Tori auch
noch nichts davon gesagt und nicht einmal ihrer Mutter, Pepule, die
selbst ein Kind erwartete. »Sion, ich…«
    Plötzlich spürte sie eine heiße und schwere Hand
auf dem Arm und roch einen würzig riechenden Atem. »Hallo,
Mädels. Habt ihr schon was vor?« Juna zuckte zurück
und zog den Arm weg.
    Das war Cahl, der Bier-Mann. Er war ein großer Mann und noch
fetter als Acta, und er trug eine seltsam einengende Kleidung: eine
knapp geschnittene Jacke und Hose, grobe Lederschuhe und einen
Strohhut. Auf dem Rücken hatte er einen mit Bier gefüllten
Lederbeutel, in dem es gluckerte, als er sich neben ihnen hinhockte.
Er hatte ein pockennarbiges Gesicht, das wie der Erdboden nach einem
starken Regen anmutete, und die Zähne waren hässliche
braune Stümpfe. Und der Blick, mit dem er Juna angrinste, war
von einer raubtierartigen Intensität.
    Sion schaute ihn finster an. »Wieso gehst du nicht dorthin
zurück, wo du hergekommen bist? Niemand will dich hier
haben.«
    Er runzelte flüchtig die Stirn und versuchte zu deuten, was
sie gesagt hatte. Seine Sprache unterschied sich von ihrer. Es wurde
gemutmaßt, dass Cahls Leute irgendwo aus dem fernen Osten
gekommen waren und ihre eigentümliche Sprache mitgebracht
hatten. »Ach«, sagte er schließlich, »viele
Leute wollen mich hier haben. Manche sogar ganz besonders. Du
würdest dich wundern, was die Leute mir als Gegenleistung
dafür geben, was ich ihnen gebe.« Er setzte wieder diesen
lüsternen Blick auf und bleckte braune, verfaulte Zähne.
»Vielleicht sollten wir einmal darüber reden, du und
ich«, sagte er zu Juna. »Vielleicht sollten wir
herausfinden, was wir füreinander tun

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