Evolution
waren
entfernte Verwandte: wilde Ornithen, die Art mit den kleinen
Gehirnen, aus denen ihre Art hervorgegangen war.
Sie riss den Mund auf und trat zischend auf die Lichtung. Geht
weg! Geht hier weg!
Die wilden Ornithen gingen aber nicht weg. Sie erwiderten
Lauschers Blick, rissen selbst den Mund auf und wackelten mit dem
Kopf.
Lauscher verspürte einen Anflug von Angst. Vor nicht allzu
langer Zeit wären solche wie diese drei bei ihrer
Annäherung geflohen; die Wilden hatten bereits die Wirkung der
Waffen fürchten gelernt, die ihre intelligenteren Verwandten
benutzten. Doch der Hunger war stärker als die Angst. Es war
wahrscheinlich schon länger her, seit diese Primitiven ein
Diplo-Nest gefunden hatten, das ihre Hauptnahrungsquelle war. Und nun
hofften diese raffinierten Opportunisten wohl darauf, Lauscher und
Stego die Beute abzujagen.
Im Welten-Wald herrschte mittlerweile ein richtiges
Gedränge.
Lauscher, die mit dieser unwillkommenen Erinnerung aus der eigenen
primitiven Vergangenheit konfrontiert wurde, wusste, dass sie keine
Angst zeigen durfte. Sie ging unbeirrt auf die drei wilden Ornithen
zu, wobei sie mit dem Kopf wackelte und gestikulierte. Wenn ihr
glaubt, ihr könntet mich um die Beute prellen, dann seid ihr auf
dem Holzweg. Verschwindet von hier, ihr Tiere! Aber die
Primitiven reagierten nur mit Zischen und Spucken.
Die Unruhe machte die Diplodocus nervös. Das
schwächliche Weibchen hatte sich inzwischen in den Schutz der
Herde geflüchtet und sich dem Zugriff der Jäger entzogen.
Nun ließ die große Matriarchin selbst den Blick
schweifen. Der Kopf wurde auf dem Hals geschwenkt wie eine
Kameraplattform auf einem Ausleger.
Auf diese Gelegenheit hatten die Allosaurier gewartet.
Die Allos verharrten wie Statuen im grünen Schatten des
Waldes. Sie standen auf den massiven Hinterbeinen und ließen
die schlanken Arme mit den dreifingrigen Klauen-Händen baumeln.
Es war ein Rudel aus fünf Weibchen. Sie waren zwar noch nicht
ganz ausgewachsen, maßen aber schon zehn Meter und wogen
über zwei Tonnen. Allosaurier gaben sich nicht mit mickrigen
Jungtieren ab. Sie hatten es auf ein fettes Diplo-Männchen
abgesehen, das wie sie selbst noch nicht ganz ausgewachsen war. Und
als die Herde durch den Streit der Ornithen in Aufruhr geriet, wurde
dieses Männchen nun aus dem schützenden Verbund der Herde
hinausgedrängt.
Die fünf Allos griffen blitzartig an, zu Lande und in der
Luft. Mit den wie Sicheln wirbelnden Klauen der Hinterbeine schlugen
sie dem Opfer tiefe Wunden. Sie benutzten die robusten Köpfe als
Knüppel, mit denen sie auf den Diplo einschlugen, und Zähne
wie Flammdolche bohrten sich ins Fleisch des Diplos. Im Gegensatz zum
Tyrannosaurus hatten sie große Pfoten und lange, starke Arme,
mit denen sie den Diplo festhielten, während sie ihn
verstümmelten.
Allosaurier waren die schwersten landlebenden Fleischfresser aller
Zeiten. Sie glichen zweibeinigen, Fleisch fressenden und schnellen
Elefanten. Es war eine Szene eines großen und wilden
Schlachtfests.
Doch nun setzte die Diplo-Herde sich zur Wehr. Die zornig
bellenden Erwachsenen fegten mit den langen Hälsen über den
Boden und hofften, die Räuber zu erwischen, die sich innerhalb
dieses Radius befanden. Ein Diplo richtete sich sogar in einer
überwältigenden Demonstration der Größe und
Stärke auf den Hinterbeinen auf.
Und sie brachten ihre schrecklichste Waffe zum Einsatz. Die
Diplo-Herde peitschte mit den Schwänzen, und die Luft wurde von
einem ohrenbetäubenden Knallen erfüllt. Hundertvierzig
Millionen Jahre vor den Menschen hatten die Diplos als erste die
Schallmauer durchbrochen.
Die Allosaurier traten den Rückzug an. Dann wurde doch noch
einer von einer überschallschnellen Schwanzspitze an der Brust
getroffen. Die auf Geschwindigkeit ausgelegten Allosaurier hatten
leichte Knochen; der Schwanz brach dem Allosaurus drei Rippen, was
ihm für die nächsten Monate schwer zu schaffen machen
sollte.
Dennoch war der schnell vorgetragene Angriff ein Erfolg
gewesen.
Ein Bein des Diplo-Männchens war bereits eingeknickt; die
gerissenen Bänder vermochten das anteilige Gewicht des Tiers
nicht mehr zu tragen. Und der Blutverlust würde es bald noch
mehr schwächen. Es hob den Kopf und trompetete kläglich.
Das Sterben würde sich noch über Stunden hinziehen –
wie so viele Fleischfresser spielten auch die Allosaurier mit ihrer
Beute –, aber sein Leben war schon vorbei.
Allmählich ließen die Peitschenknalle nach, und
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