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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Lauscher fielen immer wieder
neue Spiele ein.
    Man konnte zum Beispiel raten, welches von den Jungen als
nächstes schlüpfen würde. Und man konnte versuchen,
ein frisch geschlüpftes Junges möglichst schnell zu
töten, kaum dass es das Licht der Welt erblickt hatte. Man
konnte die Jungen aber auch erst einmal schlüpfen lassen. Die
schon einen Meter langen Jungtiere mit dem dünnen Schwanz und
dem baumelnden Hals hatten nur das eine Ziel: tiefer in den Wald zu
fliehen. Man konnte warten, bis ein Junges es fast bis zu einem
Gestrüpp geschafft hatte – und es dann am Schwanz
zurückziehen. Man konnte ihm nacheinander die Beine oder
Stücke vom Schwanz abbeißen, den kleinen Happen
zerquetschen, es zappeln lassen und schauen, wann er sein kurzes
Leben aushauchte.
    Alle intelligenten Fleischfresser hatten diesen Spieltrieb. Durch
ihn lernten sie etwas über die Welt, über das Verhalten der
Tiere und schärften zugleich die Reflexe. Für ihre Zeit
waren Ornithen wirklich sehr intelligente Fleischfresser gewesen.
    Und vor nicht mehr als zwanzigtausend Jahren hatte einer von ihnen
sich ein neues Spiel ausgedacht. Er hatte einen Stock vom Boden
aufgehoben und damit nach Eiern gestochert.
    In der nächsten Generation waren aus den Stöcken Haken
geworden, um die Embryos aus den Eiern herauszuziehen, und
angespitzte Stäbe, um sie aufzuspießen.
    Und in der übernächsten Generation wurden die neuen
Waffen dann in einem größeren Spiel eingesetzt: bei
halbwüchsigen, bis zu fünf oder sechs Jahre alten Diplos,
die sich noch keiner Herde angeschlossen hatten, aber schon eine
Fleischausbeute darstellten, die hunderten Embryonen entsprach.
Inzwischen hatte man auch eine rudimentäre Sprache entwickelt,
mit der die im Verbund agierenden Jäger sich
verständigten.
    Dann folgte eine Art Wettrüsten. In diesem Zeitalter der
riesigen Beutetiere zahlten die besseren Werkzeuge, die
differenziertere Kommunikation und die komplexen Strukturen der
Ornithen sich schnell in Form einer größeren und besseren
Fleischausbeute aus. Das Gehirn der Ornithen wurde schnell
größer und versetzte sie in die Lage, noch bessere
Werkzeuge zu fertigen, die Gesellschaft noch besser zu organisieren
und die Sprache noch weiter auszudifferenzieren – wodurch
zugleich der Bedarf an Fleisch stieg, um die großen,
energieintensiven Gehirne zu versorgen, was wiederum bessere
Werkzeuge erforderte. Es war ein Teufelskreis, der sich viel
später in der langen Geschichte der Erde wiederholen sollte.
    Die Ornithen waren den Herden ihrer Beutetiere gefolgt, die den
Superkontinent auf den breiten Wanderwegen ihrer Vorfahren kreuz und
quer durchzogen, und hatten sich dabei über ganz Pangäa
ausgebreitet.
    Doch nun änderten die Verhältnisse sich. Pangäa
brach auseinander; sein Rückgrat wurde mürbe.
Grabenbrüche, riesige, mit Asche und Lava gefüllte
Tröge brachen auf. Ein großes, kreuzförmiges Meer
entstand: Schließlich würde der Atlantik den
amerikanischen Doppelkontinent von Afrika und Eurasien trennen,
während das mächtige äquatoriale Tethys-Meer Europa
und Sibirien von Afrika, Indien und Austral-Asien trennte. So wurde
Pangäa gevierteilt.
    Es war eine Zeit ebenso schneller wie dramatischer
Klimaänderungen. Durch die Drift der kontinentalen Bruch-Platten
entstanden neue Gebirge, die die Regenwolken zurückhielten. Die
Wälder starben ab, und riesige Wüstengebiete entstanden.
Die großen Sauropoden-Herden wurden über viele
Generationen hinweg dezimiert, weil ihre Territorien immer kleiner
wurden und die Vegetation sich nicht rechtzeitig von ihrem
Kahlfraß zu erholen vermochte.
    Dennoch hätten die Sauropoden vielleicht noch viel
länger überlebt und sogar den Zenit der
Dinosaurier-Evolution, die Kreidezeit erlebt, wären da nicht die
Ornithen gewesen.
    Ja, wären da nicht die Ornithen gewesen.
    Obwohl Lauscher sich neue Gefährten suchte und stolze
Würfe gesunder und wilder Junger aufzog, vergaß sie nie
das Schicksal, das ihren ersten Gefährten, Stego, ereilt hatte.
Lauscher wagte es aber nicht, die Matriarchin anzugreifen. Jeder
wusste, dass die Herde nur dann eine Überlebenschance hatte,
wenn das starke alte Weibchen möglichst lang lebte. Es hatte
sich bisher auch keine neue Matriarchin gefunden, die ihren Platz
einzunehmen vermocht hätte.
    Trotzdem ließ Lauscher ihren Plan reifen.
    Es dauerte ein Jahrzehnt. In diesem Zeitraum wurde der Bestand der
Diplo-Herde um die Hälfte reduziert. Auch die über den
Superkontinent

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