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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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über die
Ufer getretenen Fluss verschwand. Weiter draußen im Fluss
machte Snowy Formen und Konturen dicht unter der
Wasseroberfläche aus.
    »Wenn man an einem Fluss baut«, sagte Moon
bedächtig, »wird das Land in Ufernähe trockengelegt.
Richtig? Und wenn man die Stadt aufgibt, steigt der
Grundwasserspiegel wieder an, weil kein Wasser mehr für
Industrie und Haushalte abgepumpt wird. Und dann wird das Gebiet
überschwemmt.«
    Niemand sagte etwas. Sie gingen weiter am morastigen Ufer des
Flusses entlang. Schließlich erreichten sie die Stadt. Das
Straßennetz war noch vorhanden, ein annähernd rechteckiges
Gitter, das über niedrige Hügel gelegt worden war. Aber die
Straßen waren in einem genauso schlechten Zustand wie
diejenige, der sie hierher gefolgt waren. Die Gebäude selbst
waren nur noch unterschiedlich hohe, mit Vegetation überwucherte
Erhebungen, von denen die meisten nicht mehr als hüfthoch waren.
Der ganze Ort sah aus wie ein verwilderter Friedhof. Snowy sagte
sich, dass sie, wenn sie im Wald an diesen grün
überwucherten Schutthalden vorbei gegangen wären, diese
für natürliche Formationen gehalten hätten, für
Produkte des seelenlosen Waltens der Natur. Selbst die Vegetation
unterschied sich kaum vom freien Gelände außerhalb der
Stadt. Es waren nur die Muster, die einem sagten, dass dieser Ort
einst von Menschen geplant und angelegt worden war.
    Hier und da stachen jedoch größere Fragmente aus dem
überschwappenden Grün. Da war ein großer runder
Hügel, der einen ebensolchen grünen Überzug aufwies
wie die anderen. Snowy fragte sich, ob das vielleicht eine Bastion
war, das Fundament einer der Burgen, mit denen die Normannen im
elften Jahrhundert die Eroberung Englands gesichert hatten. Wenn ja,
hatte diese Burg als eine von wenigen überdauert. Sie
stießen auf eine zu Stummeln verkürzte Säulenreihe,
die so aussahen, als ob sie mit Marmor verkleidet gewesen wären.
Sie hatten vielleicht eine Bank oder ein Rathaus geziert.
    Und da lag eine Statue auf dem Rücken. Das mit Flechten
übersäte und bis zur Unkenntlichkeit verwitterte Gesicht
schaute aus einem grünen Meer zum Himmel hinauf. Und dann sah
Snowy, dass die Statue Brandspuren aufwies. Er suchte nach einem
Datum, fand aber keins.
    Als er im Grünzeug wühlte, das andere anonyme Hügel
bedeckte, stieß er auf weitere verbrannte, rußige und
versengte Relikte. Die Stadt war also erst niedergebrannt worden und
dann verfallen. Dies war der Schauplatz der Tragödie, eine mit
Vegetation kaschierte Walstatt. Er fragte sich, wie tief er wohl
graben müsste, bevor er auf Knochen stieß.
    Sie kamen auf eine vergleichsweise offene Fläche. Dies musste
ein zentraler Platz gewesen sein, vielleicht der Marktplatz. Ahmed
befahl zu halten. In den langen Schatten des Abends hatte die
zerstörte Stadt eine gespenstische Atmosphäre; sie wirkte
weder natürlich noch menschlich und spottete jeder
Beschreibung.
    Ein kleines, rattenartiges Geschöpf huschte an Snowy vorbei.
Die Füßchen patschten auf dem mürben Asphalt, und
dann verschwand es im grünen Dickicht jenseits des Platzes. Es
sah aus wie eine Maus. Und auf seiner Spur sah Snowy die Silhouette
eines Hasen, der sich blitzartig umdrehte und davon hoppelte.
    »Mäuse und Hasen«, sagt er zu Sidewise. »Ich
glaubte, wir würden Katzen und Hunde sehen.«
    Sidewise zuckte die Achseln; er hatte ein verschwitztes und
schmutziges Gesicht. »Die Menschen sind verschwunden, nicht
wahr? Die Zivilisation ist zusammengebrochen. Katzen und Hunde waren
verweichlicht und domestiziert, denn die genetischen Variationen
waren aus ihnen herausgezüchtet worden. Sie hätten ohne uns
nicht lang zu überleben vermocht.«
    »Ich hätte aber schon geglaubt, dass gerade die Katzen
überleben würden. Sogar Katzenkinder gehen doch schon auf
die Jagd.«
    »Wildkatzen waren perfekte Tötungsmaschinen. Aber die
Hauskatzen hatten kleinere Zähne, Kiefer und Gehirne als ihre
wilden Vorfahren, weil alte Damen sie so putzig fanden.«
Sidewise zwinkerte. »Ich hatte immer gewusst, dass die Katzen
uns nur etwas vormachten. Sie waren gar nicht so zäh. Nur
frech.«
    »Wo sind eigentlich die Autos?«, fragte Moon. »Ich
meine, ich sehe die Gebäude beziehungsweise das, was von ihnen
noch übrig ist. Aber wo sind die Autos geblieben?«
    »Wenn du im Grünzeug gräbst, wirst du vielleicht
noch ein paar rostige Metallteile oder Kunststoffsplitter
finden.« Sidewise schaute Ahmed finster an. »Willst du mir
schon wieder

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