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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Flanke des Tals folgte – ein schöner flacher Sims,
der fast parallel zu den Konturen des Tals verlief.
    Mit Erleichterung betrat die Gruppe die Straße und schickte
sich an, ihr durchs Tal ins Flachland zu folgen. Trotz der
Müdigkeit waren sie guter Dinge.
    Doch Snowy sah, dass die Straße sich in einem schlechten
Zustand befand. Sie war überwuchert. Der Asphalt war zwar noch
vorhanden – er sah ihn als schwarze Bruchstücke im
Grün –, aber er war durchs Alter rissig und mürbe
geworden. Pflanzen und Pilze waren durch die Oberfläche
gebrochen, und manchmal musste er sogar durch ein Dickicht aus
Birken- und Espenschösslingen stapfen. Die Piste hatte weniger
Ähnlichkeit mit einer befestigten Straße als mit einem
spärlich bewachsenen Bergrücken.
    Sidewise ging wieder neben ihm. »Was glaubst du, wo wir
sind?«
    Sie alle waren in den grundlegenden geographischen Merkmalen
Europas und Nordamerikas unterwiesen worden. »Das Tal ist nicht
vergletschert«, sagte Snowy nach einer Weile. »Sollten wir
also in Europa sein, dann wären wir nicht allzu weit
nördlich. Südengland vielleicht. Oder Frankreich.«
    »Aber diese Straße wird schon lange nicht mehr instand
gehalten. Und schau mal dort unten.« Er deutete auf eine Linie
aus kahlem Gestein, die in die andere Seite des Tals gefräst
war.
    »Na und?«
    »Siehst du, wie gerade diese Linie ist? Ich glaube, dass
dieses Tal früher einmal überflutet war. Verdammt. An der
Wasseroberfläche findet eine starke Erosion statt – dann
erhält man solche horizontalen Einschnitte –, denn wenn das
Wasser sich erst einmal einen Weg gebahnt hat, fließt es
schnell…«
    »Und was soll das, verdammt noch mal, heißen?«
    »Das werden wir schon noch sehen«, sagte Sidewise
grimmig.
    Und nachdem sie noch eine halbe Stunde marschiert waren, sahen sie
es auch.
    Sie kamen um eine Biegung des Tals, und da war es. Eine Abzweigung
dieser Straße verlief tatsächlich zum Damm und musste auf
seiner Krone zur entgegen gesetzten Talseite geführt haben.
    Doch nun existierte die Talsperre nicht mehr. Snowy machte die
stark korrodierten und überwucherten Anleger aus, die noch immer
am Ufer standen. Von der eigentlichen Staumauer, der mächtigen
gewölbten Mauer, den Fluttoren und den Maschinen, die den Fluss
einst gebändigt hatten, war nichts mehr übrig außer
bogenförmigen Konturen auf dem Talboden, einer Art Wehr, das den
darüber hinwegströmenden Fluss kaum
beeinträchtigte.
    »Vielleicht hat jemand den Damm gesprengt«, sagte
Moon.
    Sidewise schüttelte den Kopf. »Nichts währt ewig.
Es gibt immer Risse und Schwachstellen, durch die das Wasser
einsickert. Und wenn man sie nicht abdichtet, werden die Lecks immer
größer, bis…« Er verstummte. »Das ist alles
nur eine Frage der Zeit«, endete er lahm.
    »Verdammte Scheiße«, fluchte Bonner.
»Gottverdammte Scheiße.«
    Snowy hatte den Eindruck, dass sie alle sich der harten
Realität stellten. Nicht einmal Sidewise musste noch mit einer
entsprechenden Bemerkung dazu beitragen.
    Ahmed ging noch ein paar Schritte weiter und ließ den Blick
durchs Tal schweifen. Er war ein Pilot und hatte, wie sie alle, gute
Augen. »Ich glaube, dort unten liegt eine Stadt«, sagte er
und deutete in die entsprechende Richtung.
    Vielleicht, sagte Snowy sich. Es war ein grünlichgrauer
Farbtupfer. Er sah aber keine Bewegung, keine Reflexe von Autoglas
oder Fensterscheiben, keinen aufsteigenden Rauch, keine Lichter. Aber
wohin hätten sie sonst gehen sollen.
    Bevor sie die höheren Regionen verließen, feuerte Ahmed
noch ein paar Leuchtraketen ab, die er aus dem Bunker mitgenommen
hatte. Es erfolgte keine Reaktion.
    Sie folgten Ahmed, der mit weiten, federnden Schritten auf der
grasüberwachsenen Straße auf die Stadt zuging. Das
Tageslicht erlosch. Kein einziges Licht leuchtete in der Stadt auf,
während sie auf sie zumarschierten; sie war ein Ort der
Dunkelheit und Stille.
     
    An manchen Stellen hatte das Flussufer sich in Marschland
zurückverwandelt, und flache, begrünte Hügel
markierten den Standort einstiger Gebäude. Andernorts wurden die
Ufer von Holunder und schlanken Weiden gesäumt, von alten Weiden, wie Snowy widerstrebend zur Kenntnis nahm, und aus der
dahinter liegenden Flutebene wuchs ein Wald aus Pappeln und Eschen.
Und dahinter sah er wiederum Ausläufer des Eichenwalds, die sich
über die flachen Hügel zogen.
    Schon lange bevor sie das Stadtzentrum erreichten, mussten sie die
überwucherte Straße verlassen, weil sie im

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