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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Grube nicht mehr wieder zu erkennen.
    »Dort«, zischte Sidewise.
    Schlanke graubraune Gestalten, zwei, drei, vier an der Zahl,
lösten sich aus dem Schatten am Waldrand und wagten sich ein
paar Schritte ins Freie hinaus. Die schlanken und aufrechten
Gestalten waren nackt, aber sie trugen etwas in den Händen: wohl
die üblichen primitiven Steinhämmer und Messer. Sie
stellten sich in einem lockeren Kreis mit dem Rücken zueinander
auf und schauten sich mit ruckartigen Kopfbewegungen um.
    Sidewise wäre allerdings nicht Sidewise gewesen, wenn er sich
keine Geschichte über den Ursprung dieser kleinen haarigen Leute
zurechtgelegt hätte. »Schmuddelkinder«, sagte er.
»Wer hat es am längsten in den niedergehenden Städten
ausgehalten? Die Schmuddelkinder, die immer schon in der Kanalisation
hausten und von Abfällen lebten. Es hat vielleicht Jahre
gedauert, bevor sie überhaupt bemerkten, dass etwas sich
verändert hatte…«
    Nun rannten die Haarigen über die Wiese auf eine am Boden
liegende Gestalt zu. Es war ein Hirsch, ein großer Bock, den
Snowy und Sidewise mit einer Schleuder erlegt und in der Hoffnung
hier abgelegt hatten, die Haarigen aus der Deckung des Waldes zu
locken. Die Haarigen scharten sich um den Kadaver. Dann machten sie
sich daran, die Hinterläufe vom Körper abzusäbeln. Und
während sie stumm arbeiteten, hielt einer Wache und sicherte in
alle Richtungen.
    »So machen sie das also«, murmelte Snowy. »Sie
nehmen die Beine – siehst du?«
    »Schnell und unkompliziert«, sagte Sidewise. »So
ziemlich die einfachste Art der Fleischerei: Man hacke ein Bein ab
und bringe es in den Schutz des Walds, bevor etwas mit längeren
Zähnen kommt und einem die Beute streitig macht. Sie arbeiten
koordiniert, auch wenn sie dabei nicht sprechen. Siehst du, wie die
Wachen sich abwechseln? Sie sind Gruppen-Jäger. Oder zumindest
Aasfresser, Ausputzer.«
    Snowy fragte sich, weshalb sie so vorsichtig waren, wenn Sidewise
Recht hatte und keine großen Räuber in der Nähe
waren.
    »Sie sehen menschlich aus, aber sie verhalten sich nicht
so«, flüsterte Snowy. »Weißt du, was ich meine?
Sie verhalten sich nicht wie eine Patrouille. Sie spähen eher
wie Katzen oder Vögel.«
    Sidewise grunzte. »Diese Schmuddelkinder hatten weder Kultur
noch Schule gekannt. Sie waren in der Kanalisation zuhause.
Vielleicht haben sie deswegen auch das Reden eingestellt. Vielleicht,
weil in der Kanalisation die Tarnung durch Schweigen wichtiger war
als Sprache.«
    »Sie haben die Sprache verloren?«
    »Wieso denn nicht? Es verlieren doch auch ständig
Vögel die Fähigkeit zu fliegen. Intelligenz kostet etwas. Selbst ein Spatzenhirn wie deins, Snowy, ist
aufwändig; es entzieht dem Körper viel Energie. Vielleicht
ist dies eine Welt, wo es weniger auf Intelligenz ankommt als auf die
Fähigkeit, schnell zu laufen oder gut zu sehen. Es hat
wahrscheinlich nicht viel dazugehört, um die Sprache
abzuschalten und sogar das Bewusstsein. Und nun kann das Gehirn
schrumpfen. Warte noch hunderttausend Jahre, und sie werden wieder
aussehen wie Australopithecinen.«
    Snowy schüttelte den Kopf. »Ich hatte immer geglaubt,
die Menschen der Zukunft hätten große Wasserköpfe und
keine Schwänze mehr.«
    Sidewise schaute ihn im Dämmerlicht des Unterstands an.
»Die Intelligenz hat uns nicht immer zum Vorteil gereicht, nicht
wahr?«, fragte er säuerlich. Er schaute auf die Haarigen
und rieb sich das Gesicht. »Da kommt man doch schon ins
Grübeln, wenn man die so sieht. Die Zivilisation war nur ein
Zwischenspiel. Am Anfang hätte man die Weichen noch zu stellen
vermocht: das Ruder herumreißen und die Welt wieder aufbauen.
Nun ist die Chance vertan, und wir sind in dieses Stadium
zurückgeworfen worden: Wir leben wieder wie Tiere, als ein Tier
von vielen in der Ökologie. Eine primitive, unmittelbare
Existenz.«
    Sie schauten noch eine Weile zu, wie die haarigen, nackten Leute
dem toten Hirsch die Beine ausrissen und in den Schutz des Waldes
schleppten, wobei sie zusammenarbeiteten und gleichzeitig sich
stritten.
    Dann kehrten sie ins Basislager zurück.
    Wo Bonner Amok lief. Denn Moon war verschwunden.
     
    »Wo, zum Teufel, ist sie?«
    Moon hatte sich eine eigene Hütte errichtet, die solider
gebaut und geschützter war als die der anderen. Snowy hatte sich
immer gesagt, dass sie die Tür bestimmt mit einem
Vorhängeschloss gesichert hätte, wenn sie denn eins gehabt
hätte. Nun war alles weg – der Rucksack, den Moon aus der
Fliegerkombi

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