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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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wir in den
Kälteschlaf gegangen sind. Und überhaupt, wenn wir keinen
Torf finden, dann werden wir eben etwas anderes finden. Uns
gehört schließlich die ganze Welt.« Er tippte sich an
die Schläfe. »Und wir haben noch immer unsre Intelligenz
und unsren Einfallsreichtum.«
    »Um Gottes willen«, platzte Sidewise heraus.
»Ahmed, hast du es immer noch nicht begriffen? Wir sind nicht
mehr als ein Haufen Ausgestoßener – Ausgestoßene in
der Zeit. Um Himmels willen, Mensch, wir haben nur eine einzige
Gebärmutter bei uns.«
    »Meine Gebärmutter«, sagte Moon nun, ohne
aufzuschauen. »Meine Gebärmutter. Du verdammter
Wichser.«
    »Sumpfeisen«, sagte Ahmed ungerührt.
    Sie schauten ihn verständnislos an.
    »In Sümpfen und Marschen entsteht Eisenoxid«, sagte
Ahmed. »Wenn eisenhaltiges Grundwasser mit der Luft in
Berührung kommt – nun, dann rostet es. Richtig, Sidewise?
Die Wikinger hatten sich das schon zunutze gemacht. Wieso nicht auch
wir…?«
    Während sie die Diskussion fortführten, richtete Snowy
den Blick aufs dämmerige Grün des nahen Walds. Sidewise hat
Recht, sagte er sich. Wir sind durch einen Zufall hierher verschlagen
worden, wie eine Art Echo. Wir werden genauso verrotten und vom
Grün verschlungen werden wie die zerstörten Gebäude,
und unsre Knochen werden mit den Milliarden anderer bleichen, die
schon im Erdboden begraben sind. Und es wird auch kein Hahn nach uns
krähen. Wenn er es nicht zuvor schon im tiefsten Innern gewusst
hatte, so war er spätestens nach der Begegnung mit dem
Affen-Mädchen davon überzeugt. Sie ist die Zukunft, sagte
er sich; das sprachlose Kind der Wildnis.
    Als sie auseinander gingen, nahm Snowy Sidewise auf die Seite und
erzählte ihm von der wilden Frau.
    »Hast du sie gefickt?«, fragte Sidewise sofort.
    Snowy runzelte angeekelt die Stirn. »Nein. Mir war zwar
danach – er stand mir förmlich bis zur Kinnlade –,
aber als ich sie mir dann genauer ansah, ist es mir gleich wieder
vergangen.«
    Sidewise klopfte ihm auf die Schulter. »Deswegen müssen
dir aber keine Zweifel an deiner Manneskraft kommen, Kumpel. Weena
war wahrscheinlich nur nicht die Richtige für dich.«
    »Weena?«
    »Ein alter literarische Bezug. Aber egal. Hör zu. Ganz
egal, was El Presidente da drüben sagt, wir sollten mehr
über diese Wesen herausfinden. Es gibt viel Wichtigeres, als
Torf zu stechen. Wir müssen herausfinden, wie sie leben, wenn
wir überleben wollen… Geh zu deiner Freundin, Snowy. Und
frag sie, ob sie sich mit uns beiden verabreden will.«
     
    Nach ein paar Tagen, ehe Ahmed seine Pläne zum Wiederaufbau
der Zivilisation noch umzusetzen vermochte, wurde er krank. Er musste
in seinem Verschlag bleiben und sich von den anderen mit Nahrung und
Wasser versorgen lassen.
    Sidewise glaubte, dass er sich eine Quecksilbervergiftung
zugezogen hatte, die von der Müllhalde herrührte.
Quecksilber war seit Jahrhunderten für die Herstellung von allen
möglichen Dingen verwendet worden, für Hüte und
Spiegel, für Insektenvernichtungsmittel und Arzneien gegen
Syphilis. Der Erdboden war wahrscheinlich damit gesättigt, und
selbst jetzt, nach tausend Jahren, sickerte das Zeugs noch immer
über verschiedene Kanäle in den See, wo es sich über
die Nahrungskette in höchster Konzentration in den Fischen und
den ›Endverbrauchern‹, den Menschen, ablagerte.
    Für Sidewise entbehrte das alles nicht einer gewissen Ironie:
dass Ahmed, der große Planer – derjenige, der von ihnen
allen am längsten an den expansionistischen Träumen des
längst vergangenen einundzwanzigsten Jahrhunderts festgehalten
hatte –, dass ausgerechnet er an einer Dosis des Gifts
erkrankt war, dem langlebigen Vermächtnis jenes
zerstörerischen Zeitalters.
    Snowy focht das nicht an. Es gab viel interessantere Dinge auf der
Welt als alles, was Ahmed sagte oder tat.
    Zum Beispiel Weena und ihre haarigen Gesellen aus dem Wald.
    Snowy und Sidewise hatten unweit der Stelle, wo Snowy die erste
Begegnung mit dem Affenmädchen gehabt hatte, eine Art Unterstand
gebaut: eine Hütte, die aufwändig mit Gras und Laub getarnt
worden war.
    Snowy schaute auf Sidewise, der sich im Schatten der Hütte
ausgestreckt hatte. In der Hitze dieses un-englischen Sommers hatten
sie beide sich aller überflüssigen Kleidung entledigt und
trugen nur noch Shorts, einen Ausrüstungs-Gürtel und
Stiefel. Sidewise hatte sich eine perfekte Einzelkämpfer-Tarnung
verpasst. Er war nach dem erst vor ein paar Wochen erfolgten Auszug
aus der

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