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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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der
entengeschnäbelten Ziegen, die sich nur durch Nuancen in der
Form der Hörner, Größe und Nahrungsvorlieben
unterschieden, an den Wasserläufen der tropischen Regionen der
Welt und andernorts.
    Zugleich wurde diese Szene, wo verhältnismäßig
friedliche Pflanzenfresser den Durst löschten, von Räubern
belauert, die die Vegetarier gierig beäugten – das war
alles schon einmal da gewesen.
    Hätte man diese Szene mit halb geschlossenen Augen
betrachtet, wäre die Vorstellung gar nicht einmal abwegig
gewesen, dass die von Menschen ausgerotteten Tiere wiederauferstanden
wären. In dieser neuen Savanne waren die altbekannten Rollen
jedoch von neuen Darstellern übernommen worden, die von Wesen
abstammten, die das menschliche Ausrottungs-Ereignis überlebt
hatten, und von denjenigen, die allen menschlichen
Ausrottungs-Versuchen widerstanden hatten: Kleintiere, vor allem die
Generalisten – Stare, Finken, Kaninchen – und Nagetiere wie
Ratten und Mäuse. Nur dass Kaninchen sich in Gazellen und Ratten
sich in Leoparden verwandelt hatten. Die Veränderungen waren
subtil: eine nervöse Unruhe bei den Kaninchen und ruckartige,
eckige Bewegungen bei den Ratten, denen die geschmeidige Eleganz der
Katzen fehlte.
    Plötzlich kam Unruhe auf, und es ertönte ein Krachen wie
von splitternden Knochen. Zwei der großen
Ziegen-Elefantenbullen waren aneinander geraten. Ihre Köpfe
wackelten und schwankten auf langen giraffenartigen Hälsen, und
die vor den Gesichtern gekrümmten Hörner wurden gekreuzt
wie bizarre Krummschwerter.
    Erinnerung kauerte sich in den Schatten der Akazien. Als die durch
den Kampf beunruhigten Pflanzenfresser sich um sie herum in Bewegung
setzten, war sie hier nicht mehr sicher. Es bestand die Gefahr, dass
dieser Baum in kurzer Zeit zertrümmert und gefressen wurde.
    Und nun machten die aufmerksamen Räuber sich die Verwirrung
zunutze.
    Ein Rudel von ihnen brach aus der Deckung. Die schlanken,
fuchsartigen Geschöpfe mit langen, kräftigen Schenkeln und
dick gepolsterten Füßen glichen eher noch Ratten. Sie
blieben dicht zusammen und bewegten sich in einer keilförmigen
Formation, um einen älteren Ziegen-Elefanten vom Rest der Herde
zu trennen. Der große Bulle, dessen mächtige
Stoßzähne von lebenslangen Kämpfen gesplittert und
verschrammt waren, bellte zornig und ängstlich zugleich und
rannte los. Die Ratten nahmen im engen Verbund die Verfolgung
auf.
    Diese Ratten-Derivate waren wie Hunde, aber sie waren keine Hunde.
Die charakteristischen Nagetier-Schneidezähne waren von
Zähnen, die für die Zerkleinerung von Samen und Insekten
ausgelegt waren, in spitze Klingen umgewandelt worden. Die hinteren
Mahlzähne glichen Scheren und waren gut zum Zerkleinern von
Fleisch geeignet. Und sie blieben enger zusammen, als ein Hunderudel
es je getan hätte – sie wirkten eher wie eine
fließende, kraftvolle Einheit. Doch wie bei einem Hunderudel
bestand ihre Strategie darin, den Ziegen-Elefanten bis zur
Erschöpfung zu hetzen.
    Bald waren die Beute und ihre Jäger außer Sicht. Die
Ziegen-Elefanten widmeten sich wieder dem Saufen und Kämpfen.
Obwohl ein paar von ihnen den Kopf zu der Stelle drehten, wo der alte
Bulle gestanden hatte: Sie waren sich bewusst, dass er fehlte.
    Erinnerung nutzte die Gelegenheit und kroch vorwärts.
    Das Wasser war von einer Schaumschicht überzogen. Aber sie
schöpfte es trotzdem mit den Händen und ließ es sich
in den Mund laufen; Handflächen und Finger wurden mit einer
feinen grünen Schleimschicht überzogen.
    Im Wasser beobachteten zwei gelbe Augen sie mit kühler
Berechnung. Es war natürlich ein Krokodil. Diese uralten
Überlebenskünstler hatten die menschliche Apokalypse
abgeritten, wie sie schon so viele zuvor überstanden hatten: Sie
hatten von der ekligen braunen Nahrungskette des sterbenden Landes
gelebt und während der Trockenheit sich in den Schlamm
eingegraben. Bisher war es keinem Tier – weder Schweinen noch
Kaninchen oder Primaten, weder Fischen noch Vögeln, weder
Reptilien noch Amphibien und noch nicht einmal den Nagetieren –
gelungen, die Krokodile aus ihrem nassen Reich zu vertreiben.
    Erinnerung schauderte und zog sich von der Wasserlinie
zurück.
    Und nun kam ein neuer Räuber über die Klippe auf den See
zu. Wieder ging Erinnerung in Deckung und wurde von den
mächtigen, trägen Leibern einer Herde Entenschnabel-Ziegen
abgeschirmt.
    Dieser Räuber glich eher einem Nagetier, einer Art Maus.
Ähnlichkeit mit einem Hund oder einer Katze hatte er

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