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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich in der
nördlichen Hemisphäre zusammendrängten und den
Süden bis aufs einsame, eisige Antarktika sich selbst
überließen. Und Afrika selbst war auch auseinander
gebrochen, als die klaffende Wunde des uralten Rift Valley sich
vertieft hatte.
    Wo die Kontinente sich trafen, entstanden neue Gebirgszüge.
An der Stelle des einstigen Mittelmeers ragte nun eine mächtige
Bergkette auf, die sich nach Osten bis zum Himalaja erstreckte. Damit
gehörte das uralte Tethys-Meer endgültig der Vergangenheit
an. Die Spuren des antiken Roms waren getilgt worden: Die Gebeine von
Kaisern und Philosophen gleichermaßen waren zermahlen,
pulverisiert und mit dem Erdreich vermengt worden. Doch wo Berge
entstanden, wurden andere abgetragen. Der Himalaja war bis zur
Unkenntlichkeit erodiert und eröffnete neue Wanderwege zwischen
Indien und Asien.
    Nichts von alledem, was die Menschheit in ihrer ebenso kurzen wie
blutigen Geschichte zustande gebracht hatte, hatte in dieser lang
währenden geografischen Umwälzung Bestand.
    Inzwischen hatte die sich selbst überlassene Erde eine Reihe
physikalischer, chemischer, biologischer und geologischer
Heilungsmechanismen entwickelt, um sich von den verheerenden
Eingriffen der menschlichen Bewohner zu erholen. Luftschadstoffe
waren vom Sonnenlicht zerlegt und aufgelöst worden. Sumpferz
hatte einen großen Teil der Metallabfälle absorbiert. Die
Vegetation hatte aufgegebene Kulturlandschaften zurückerobert,
Wurzeln hatten Beton und Asphalt aufgebrochen, und Gräben und
Kanäle waren überwuchert worden. Erosion durch Wind und
Wasser hatten den endgültigen Zusammenbruch der letzten
Gebäude herbeigeführt und alles zu Sand pulverisiert.
    Und die unerbittlichen Prozesse der Variation und Selektion hatten
sich angeschickt, eine entleerte Welt wieder aufzufüllen.
     
    Die Sonne stieg höher. Obwohl Erinnerung an diesem Tag schon
so viel erlebt hatte, war es immer noch nicht Mittag.
    Sie war auf einer grasbewachsenen Ebene mit ein paar Gruppen von
Bäumen und Sträuchern und einem braunen Borametz-Hain, der
neuen Baumart, gestrandet. Im Hintergrund erhoben sich purpurne
vulkanische Hügel. Hier, im Regenschatten dieser Erhebungen,
fiel Regen nur selten und unregelmäßig. Der Erdboden war
ausgetrocknet; unter solchen Bedingungen vermochten Bäume keine
Wurzeln zu schlagen, sodass die Gräser ihre alte Herrschaft
fortsetzen… fast. Es entwickelten sich sogar
Pflanzen-Gemeinschaften. Und den Gräsern waren mit den
Borametz-Hainen neue Konkurrenten erwachsen.
    Der Baum, der ihren Sturz gebremst hatte, trug keine Früchte
und klammerte sich im trockenen Boden dieses Graslands ans Leben. Es
gab hier nichts zu essen, nichts außer Skorpionen und
Käfern, die unter den Steinen lebten. An denen tat sie sich
gütlich.
    Sie machte in der flimmernden Hitze einen Waldstreifen aus, der
sich über diese fernen purpurnen Hügel zog. Vage wurde sie
sich bewusst, dass sie, falls sie dorthin zu gelangen vermochte, in
Sicherheit wäre und vielleicht Nahrung fand – vielleicht
sogar Leute von ihrer Art.
    Doch der Wald war weit entfernt. Erinnerungs
Urgroßmütter hätten dieses Stück offener Savanne
leicht überquert. Nicht so Erinnerung. Sie war ein schlechter
Läufer. Und wie Capo, ein schimpansenartiger Menschenaffe aus
einer anderen Zeit, hatte ihre Art sich wieder eine starke
Körperbehaarung zugelegt und das Schwitzen verlernt.
    Also saß sie ohne einen Plan da und wartete darauf, dass
etwas geschah.
    Plötzlich fegte ein schlanker Kopf aus dem ausgewaschen
Himmel. Erinnerung schnatterte panisch und ging hinter dem Baumstamm
in Deckung. Sie sah schwarze runde Augen, die vor Erstaunen geweitet
in einem schmalen, pelzbedeckten Gesicht saßen, zwei lange
Ohren und einen eleganten Hals. Es war der Kopf eines Kaninchens
– nur dass er so groß war wie der einer Gazelle.
    Die Kaninchen-Gazelle gelangte offensichtlich zu dem Schluss, dass
der geduckte Hominide keine besondere Gefahr für sie darstellte.
Sie weidete weiter das spärliche Gras ab, das im Schatten des
Baums wuchs.
    Vorsichtig kroch Erinnerung vorwärts.
    Nun sah sie, dass ihr Besucher zu einer Herde gehörte, die
sich über die Ebene verteilt hatte und genüsslich das Gras
abfraß. Sie waren groß, zum Teil doppelt so groß
wie sie. Die schlanken, eleganten Tiere sahen aus wie Gazellen,
stammten in Wirklichkeit aber von Kaninchen ab, was ihre langen Ohren
und weißen Stummelschwänze eindeutig bezeugten.
    Die Beine dieser Tiere glichen ebenfalls

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