Evolution
dann lief
sie zu den anderen, wo die Männchen sie mit zuckenden
Schnurrhaaren beschnüffelten und mit blutigen Schnauzen
anstupsten.
Und nach diesem Tag sah Purga ihre Tochter nie wieder.
IV
Einen Monat später erreichte die allein wandernde Purga die
Zone mit dem Farnbewuchs.
Mit neuem Mut beseelt lief Purga weiter, so schnell sie konnte. Es
waren zwar nur niedrige, kriechpflanzenartige Gewächse, aber die
Farnwedel spendeten einen dunkelgrünen Schatten. An der
Unterseite sah sie kleine Sporensäcke wie braune Punkte.
Grün in einer rußgeschwärzten und aschfahlen
Welt.
Farne waren robuste Pflanzen. Die Sporen waren so zäh, dass
sie Feuer widerstanden und so klein, dass sie über große
Entfernungen vom Wind verweht wurden. Manchmal entsprossen die neuen
Triebe direkt dem überlebenden Wurzelsystem: Schwarzen
Kriechwurzeln, die im Gegensatz zu Baumwurzeln unverwüstlich
waren. In Zeiten wie diesen, als das Licht langsam zurückkehrte
und Photosynthese wieder einsetzte, hatten die Farne kaum Konkurrenz.
Inmitten des rußigen Schlamms und Lehms nahm die Welt eine
Gestalt an, die sie seit dem Zeitalter des Devon vor vierhundert
Millionen Jahren nicht mehr gehabt hatte, als die ersten Pflanzen
– darunter auch urtümliche Farne – das Land erobert
hatten.
Purga kletterte. Die größten Gewächse bildeten nur
eine wenige Zentimeter hohe Plattform über dem Boden, aber sie
war auch damit schon sehr zufrieden. Es genügte, um eine Flut
von Erinnerungen auszulösen, wie sie über die Äste der
großen verschwundenen Wälder der Kreidezeit gehuscht
war.
Später grub sie sich ein. Es regnete noch immer, und der
Boden war aufgeweicht. Sie grub aber in der Nähe der zähen
Farnwurzeln, sodass sie doch noch einen zufrieden stellenden Bau
hinbekam. Sie entspannte sich – zum ersten Mal seit dem
Einschlag, vielleicht sogar zum ersten Mal, seit das verrückt
gewordene Troodon die Hetzjagd auf sie veranstaltet hatte.
Das Leben stellte keine Anforderungen mehr an Purga. Eins ihrer
Jungen hatte überlebt und würde sich fortpflanzen. Durch
sie würde der Fluss der Gene in eine unbekannte Zukunft
weiterströmen. Und es entbehrte nicht einer gewissen Ironie,
dass sie in früheren Zeiten sicher schon einem Räuber zum
Opfer gefallen wäre. Es war die große Entleerung der Welt,
der sie ihr Leben zu verdanken hatte – ein paar zusätzliche
Monate, die sie auf Kosten vieler Milliarden Lebewesen
herausgeschunden hatte.
So zufrieden, wie sie überhaupt nur sein konnte, legte sie
sich in einem irdenen Kokon schlafen, der noch immer nach der
Feuersbrunst roch, die eine ganze Welt verzehrt hatte.
Schnell sich vermehrende, kurzlebige Kreaturen erfüllten den
Planeten. Fast die gesamte Population der Erde war in die neue Zeit
hineingeboren worden und kannte nichts außer Asche, Dunkelheit
und Aas. Während Purga schlief, verkrampften sich ihre Beine,
und die Pfoten scharrten auf der Erde. Purga, eins der letzten
Geschöpfe auf dem Planeten, die sich noch an die Dinosaurier
erinnerten, wurde noch immer von den schrecklichen Echsen verfolgt
– zumindest im Traum.
Eines Morgens wachte sie nicht mehr auf, und der kleine Bau wurde
zu ihrem Grab.
Bald überzog eine Decke aus Sedimenten, die aus dem Meer sich
abgelagert hatten, den riesigen Einschlagkrater. Schließlich
versank die geologische Deformation unter einer tausend Meter dicken
Kalksteinschicht.
Vom Teufelsschweif selbst blieben nur Spuren zurück. Der Kern
war bereits in den ersten Sekunden des Einschlag-Ereignisses
zerstört worden. Lang bevor der Himmel über der Erde wieder
aufklarte, wurden die letzten Reste der Coma und des
spektakulären Schweifs – der ätherische Leib des
Kometen, der sozusagen den Kopf verloren hatte – vom Sonnenwind
zerblasen und davongetragen.
Dennoch setzte der Komet eine Art Denkmal. Im Grenzlehm würde
man nämlich Tektiten finden – Erdbrocken, die in den
Weltraum geschleudert und beim Wiedereintritt in die Atmosphäre
zu glasigen tränenförmigen Gebilden geschmolzen worden
waren. Weitere Fundstücke waren Fragmente aus Quarz und anderen
Mineralien, die von der Einschlagsenergie in seltsame gläserne
Formen gepresst worden waren. Es gab Splitter von kristallinem
Kohlenstoff, der normalerweise nur tief im Erdinneren vorkam und in
diesen paar Sekunden elementarer Gewalt an der Erdoberfläche
zusammen gebacken worden war: Kleine Diamanten funkelten in der Asche
aus Kreidezeit-Wäldern und Dinosauriern. Es gab sogar
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