Ewig Böse
tötete … Weil er dachte, ich wäre Ghost und sie Ghosts Freundin. War das denkbar? War ich in irgendein Rachegespinst verstrickt? Aber warum jetzt, ein Jahr später? Annette wusste, dass ich nicht Ghost war. Es ergab keinen Sinn.
Ich drehte das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Dann kehrte ich ins Schlafzimmer zurück, um frische Kleider zu holen. Die Tür stand offen, aber Annette lag nicht im Bett. Die Bettdecke war zurückgeschlagen.
»Annette?«, rief ich und ging zum oberen Treppenabsatz. »Annette? Bist du unten?«
Sie antwortete nicht.
Ich zog mich schnell an und suchte den Rest des Hauses ab. Sah im Garten und am Pool nach. In der Garage.
Der Mustang war fort. Annette war verschwunden.
Wenn sie sich an mir rächen wollte, warum war sie dann geflohen? Was zum Teufel ging hier vor?
»Sie weiß nicht, wer sie ist«, sagte ich zu der leeren Garage. »Wer ist sie, Arthur? Wer ist sie jetzt?«
Ihre Kopfverletzung. Glaubst du wirklich, es war Zufall, dass sie in deiner Badewanne ausgerutscht und gestürzt ist? Das hätte sich leicht inszenieren lassen. Glaubst du wirklich, sie hätte sich innerhalb von ein paar Wochen die Haare weiß gefärbt, angefangen zu gärtnern und gelernt, sich im Bett wie Stacey zu verhalten? Sie spielt Spielchen mit dir. Das ist alles Teil eines Plans.
Doch es gab zu viele unerklärliche Phänomene. Das war kein Skit nach Drehbuch. Niemand war zu einer solchen Choreographie fähig. Annette kannte Details, die nur Stacey wissen konnte. Annette verwandelte sich, auch das war sicher … aber in Stacey? Wirklich? Warum sollte es ihr hier schlechter gehen, in Sheltering Palms?
Seit wir hier draußen waren, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten, hatte sich der – nennen wir es Stacey-Effekt – verstärkt oder verschlimmert. Annette war nur noch ein Wrack. Lag es an der Rückkehr an den Ort ihres eigenen familiären Traumas?
Oder.
Stacey hatte Annette angefallen. Sie war mithilfe der Hasenbilder lange genug in Annettes Kopf eingedrungen, um sie überwältigen zu können. Sie hatte die Kontrolle über Annette übernommen, um mit mir zusammen zu sein. Sie war nicht bereit, loszulassen. Und vielleicht war auch ich nicht bereit, Stacey loszulassen. Vielleicht beschützte sie mich, versuchte, Annette davon abzuhalten, mir etwas anzutun, was immer es auch sein mochte. Vielleicht kämpfte die Stacey in Annette darum, an die Oberfläche zu kommen, um mich zu warnen, das Böse in Schach zu halten. Schwer zu akzeptieren.
Ja, aber was glaubte ich wirklich? Was fühlte ich, wenn ich Annette in die Augen sah? Wenn wir Sex hatten? Was hatte ich empfunden, als Blaine bei ihrem Anblick aufschrie? Es lag nicht nur an ihrem Haar, den Kleidern, ein paar Manierismen. Es war etwas tief in ihr drin. Etwas Greifbares, ein Widersinn, den andere spüren konnten.
Stacey. Stacey versuchte, mit mir Kontakt aufzunehmen.
Aber was hatte das alles mit Ghost zu tun? Oder mit Aaron? Mit der Truhe?
Ich würde keinen Frieden finden, bevor ich nicht herausgefunden hatte, was aus Aaron geworden war – und was das mit Stacey zu tun hatte. Ich musste herausbekommen, was in dieser Familie vor Staceys Tod vorgefallen war. Ich musste wissen, ob Annette nur mit mir spielte und mich für Ghosts Sünden bezahlen lassen wollte, oder ob sie um der Liebe Christi willen tatsächlich die Seele meiner toten Frau in sich trug. Aber vor allem brauchte ich Schlaf. Mein Verstand löste sich auf, doch noch war ich klarsichtig genug, um zu wissen, dass das Problem vielleicht lediglich ein ernsthaft gestörter Mann war, ein trauernder Ehemann, der sich an jeden Strohhalm klammerte, um seine Frau nicht sterben zu lassen. Nur ein einziger Mensch kannte Annette besser als ich. Es gab einen Ort, an den sie sich vielleicht geflüchtet hatte.
Ich kehrte zu Rick Butterfields Haus zurück.
33
Die Speerspitze der Ordnungsmacht von SP öffnete mir mit nacktem Oberkörper und kratzte sich einen Rasierausschlag an der wie gemeißelt aussehenden Brust. Der Bauch quoll obszön über einem lila Sackhalter hervor, von dem aus sich ein orangefarbener Pelz spinnwebartig über Oberschenkel und Knie ausbreitete. Ricks Haare waren strähnig, die Augen verquollen, er sah aus wie ein drittklassiger Footballspieler. Sein linker großer Zehennagel war gelb und stand senkrecht nach oben ab wie ein aufgeklapptes Streichholzbriefchen. Es stank nach Zigaretten.
»Na, so was«, meinte er, »haben Sie mir etwa meine Kanone
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