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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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Gewissen ins Unermessliche. Weil ich in Aarons Zimmer spionierte und seine Habseligkeiten durchstöberte. Weil Annette glaubte, dass Ghost ihr etwas angetan hätte, was auch immer das war. Ich hatte nie ein Grab geplündert, aber so musste man sich dabei fühlen, als Eindringling, dem die Augen der Toten folgten.
    Die schlurfenden Schritte hoben wieder an und kamen noch näher.
    Es war kalt. Ich fühlte mich benommen, meine Beine waren steif vom langen Kauern. Der Morgen war gerade erst angebrochen, und die Sonne stand noch nicht hoch genug, um das Haus zu wärmen, doch in Aarons Zimmer war es kälter, als es eigentlich sein durfte. Die Schritte klangen zu leicht und leise, um von einem Erwachsenen zu stammen.
    Stand er draußen im Gang und spähte um die Ecke? Das Energiefeld des Raums änderte sich, wurde dichter. Er war bestimmt schon hier drinnen, stand in seinem blauen Blazer mit dem Schulemblem hinter mir und sah mich aus seinen leeren Augen an. Das Zimmer roch nach Junge, ein ungewaschener Geruch, gemischt mit Kaugummiausdünstungen und der abgestandenen, fauligen Luft eines flachen Grabes.
    Etwas knarrte hölzern. Eine Tür, die Tür, die ein wenig weiter aufschwang. Ich drehte mich um. Das Zimmer war leer. Niemand war da. Doch ich konnte ihn spüren . Es war genau wie auf der Straße. Wenn ich mich nach ihm umwandte, verschwand er.
    Ich drehte mich wieder zu der Truhe um, und er kam mit einem Geräusch wie raschelndes Papier auf mich zu. Ich starrte wie gelähmt die Wand an. Er war nahe genug, um meinen Rücken zu berühren, wenn er die Hand ausstreckte. Das ganze Haus schien sich um mich zusammenzuschnüren, wie ein Unterseeboot, das immer tiefer dem Meeresboden entgegensinkt.
    War er hier gestorben, zu Hause? War das das Geheimnis?
    Zarte Finger strichen über meinen Rücken und zupften sachte an meinem Hemdsaum. Meine linke Hand fiel herab, und die Autotopsy - CD entglitt mir. Sie landete weich auf dem Teppichboden und klappte auf. Bevor ich reagieren konnte, glitt seine kleine Hand in meine und drückte sie, als wollte er mich zu einem Spaziergang auffordern. Sie fühlte sich steif und kalt an und hielt mich in einem Kokon seiner grotesken Aura gefangen. Er seufzte zufrieden, und sein Jungenatem strich kalt über mein Handgelenk. Dann hörte ich das Knacken von zerbrechendem Plastik.
    Ich starrte meine Zehen an, die im Teppichboden versanken, damit ich nicht sein bleiches Gesicht sehen musste, seinen offen stehenden Mund. Sein Griff löste sich von selbst, und seine Hand glitt aus meiner wie ein papierdünner Hauch.
    Es war niemand im Zimmer außer mir. Ich atmete tief durch.
    Mein Verstand spielte mir Streiche.
    Ich betrachtete die CD auf dem Boden. Das Cover-Booklet mit dem Text war aus der Hülle herausgerutscht und hatte sich auf der Mittelseite geöffnet.
    Ghost sah zu mir hoch.
    Ich erinnerte mich natürlich noch an die Fotos. Diese düsteren Schnappschüsse von Ghost in einer finsteren Gasse, wie er hinter einem Abfallcontainer lauerte, mit der Machete in der Hand. Sein Gesicht war fast vollständig unter der Kapuze eines schwarzen Sweatshirts verborgen, nur die weiße Mondsichel eines Kieferumrisses und seine dämonischen Augen waren sichtbar. Genau wie bei dem Jungen, der mich verfolgt hatte. Er hatte sich nicht wie ein Ghost-Fan angezogen, sondern wie Ghost selbst. Ich erinnerte mich noch, wie ich mich gefühlt hatte, als ich anfing für Ghost zu arbeiten und seine Alben durchging, um ihn zu studieren. Ich war kein großer Fan, aber als Angestellter und als Double musste ich sein Werk genauso gut kennen wie er. Ich dachte daran zurück, wie ich seine Fotos mit dem Mann verglich, den ich im Spiegel sah, nachdem ich mein Äußeres ihm angepasst hatte. Das Bedürfnis des Schauspielers zu spielen. Konnte ich das überhaupt schaffen? Diese düstere Persönlichkeit verkörpern? Dieses seltsam berauschende Gefühl unserer vertauschten Rollen, das Monster, das er zu sein vorgab, ein echter Dämon, der sich in mir verbarg. Ich erinnerte mich an die Bluttropfen, die auf dem Foto von seiner Klinge tropften, die kleine rote Lache zu seinen Füßen, flimmernd wie eine Neonreklame in einer Regenpfütze. Aber ich konnte mich nicht daran erinnern, dass photoshopbearbeitete Spritzer arteriellen Bluts sich in solcher Menge über das ganze Booklet verteilt hätten.
    Keines der vierzehn Millionen verkauften Exemplare von Autotopsy war so verkauft worden. Deshalb erinnerte ich mich nicht an diesen filmischen

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