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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Chance, auf sie zuzugehen und mit ihr ins Gespräch zu kommen, konnte er sich nicht entgehen lassen. – Ja, das sah sie ein. Andererseits hatte er große Angst, aufdringlich zu erscheinen. – Ja, diese Angst war an sich berechtigt. Er hatte aber nicht das Gefühl, dass sie ihn grundsätzlich ablehnte. – Grundsätzlich nicht, da hatte er recht.
    Sie stieg aus der Badewanne. Die große Hitze war bereits vorbei. Judith konnte wieder kühler denken. Dieser Hannes Bergtaler war einfach mächtig verschossen in sie. Das konnte vorkommen. Das konnte auch rasch wieder vorbeigehen. Daran ließ sich gelegentlich ein Treffen im Kaffeehaus anknüpfen. Sie mochte ihn gern. Seine Nasenspitze gefiel ihr. Er wirkte aufrichtig, entwaffnend ehrlich. Er sagte unglaublich nette Sachen. Er sagte geradeheraus, was er fühlte. Das tat ihr gut, ziemlich gut sogar.
    Und wenn sie sich vorstellte, dass ihr gerade jemand die Ferse eingetreten hatte, und sie drehte sich zum Spiegel und funkelte ihn an, als wäre er der Täter, dann sah sie, ja, plötzlich, selbst mit nassem Haar und einer drei Zentimeter dicken Schicht Creme im Gesicht: eine umwerfende Frau. Und das war sein Verdienst.

Phase zwei
1.
    Auf Judiths kleiner Dachterrasse blühte erstmals nach drei Jahren wieder das Hibiskus-Bäumchen, knallrot. Das waren gute Wochen. Es war etwas im Entstehen. Es entstand täglich neu und nahm alles eben erst Entstandene mit. Judith versuchte, die Anzahl der Begegnungen mit Hannes so gering wie möglich zu halten, also nicht fünfmal am Tag, was in seinem Sinne gewesen wäre, sondern nur ein- oder zweimal. Sie hatte Angst, der Reiz könnte für ihn verlorengehen, er hätte sich bald sattgesehen an ihr, ihren Drehbewegungen und Gesichtsausdrücken, Angst, er wüsste nicht mehr, welche Blumen er ihr noch schenken, welche Botschaft in Briefchen- oder E-Mail-Form er ihr noch zukommen lassen, welches Kompliment er ihr noch machen sollte und mit welchen Worten er ihr per SMS noch »guten Morgen« oder »gute Nacht« wünschen könnte.
    Judith fand sich in einer neuen Situation. Nicht sie war es, die sich wieder einmal mehr von einem Mann erwartete, als dieser schon im Ansatz zu geben bereit oder fähig zu sein schien. Nein, da war nun ein Mann, der es offensichtlich nicht erwarten konnte, ihre Erwartungen zu erfüllen. Nun schraubte sie diese ihre Erwartungen so weit wie möglich herunter, damit der Vorrat seiner Erfüllungen noch lange reichen würde. Mit etwas Glück konnte sie damit erfüllt über den Sommer gelangen. Erfüllt von Hannes Bergtaler: 1,90 groß, 85 Kilo schwer, wuchtig, ungelenk, 42, ledig, sonnenfältchenäugig, ausgestattet mit Omas blendendem Gebiss.
    Vieles an ihm fiel ihr auf, nichts davon störte sie. Nicht sein Wortwitz, der die Pointen voranstellte und die Vorgeschichten erst nachher zu erzählen pflegte. Nicht sein gewöhnungsbedürftiger Begriff von Frühjahrsmode. Nicht seine sattsam ausgewaschenen Unterleibchen, die man beim besten Willen nicht als T-Shirts bezeichnen konnte. Nicht einmal seine alle paar Minuten wiederkehrende Lieblingsformel »Wie-von-den-Socken«. Judith hatte es bislang vermieden zu fragen, ob er nicht zufällig noch bei seiner (Socken stopfenden) Mutter lebte.
    Er war ein anderer Typ als alle bisher, nicht ihrer und auch keiner, den sie von irgendeiner Frau her kannte. Er war schüchtern und wagemutig zugleich, verschämt und unverschämt, beherrscht und getrieben, auf tolpatschige Weise zielstrebig. Und er wusste, was er wollte: ihr nahe sein. Das war ein durchaus ehrenwertes Verlangen, dachte Judith. Sie nahm sich vor, behutsam damit umzugehen und nichts zu überstürzen. Sie wollte keine falschen Hoffnungen in ihm wecken. Hoffnungen schon, aber keine falschen. Welche die richtigen waren, würde die Zukunft der Gegenwart früh genug einflüstern.
    Die späten Abende und Wochenenden fanden vorerst noch ohne ihn statt, zumindest physisch. So paradox es klang: Die Zeit ohne ihn zählte für Judith zu den schönsten und stärksten Zeiten mit ihm. Egal welcher ihrer gewohnten Tätigkeiten sie nachging, alles rückte in den Hintergrund, alles geschah wie unter dem Einfluss von Glücksdrogen. Ja, sie war erstmals, wenn auch vermutlich nur kurzfristig, ein rundum glücklicher sorgenfreier Single. Sie konnte tun, was sie wollte: an Hannes Bergtaler denken. Es war wundervoll, ihre Sehnsucht nach ihm beim Wachsen zu beobachten. Möglicherweise war es auch bloß ihre Sehnsucht nach seiner Sehnsucht nach ihr, die

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