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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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sonst nichts von ihr, absolut nichts.
     
5.
    Am Sonntag feierten sie Gerds vierzigsten Geburtstag, im »Iris«, einem schummrig beleuchteten Lokal, das ihn zehn Jahre jünger wirken lassen sollte. Gerd war beliebt. Von den fünfzig geladenen Gästen kamen achtzig. Zwanzig von ihnen wollten nicht generell auf Sauerstoff verzichten und übersiedelten deshalb, bei aller Wertschätzung für Gerd, in die benachbarte Phoenix-Bar, die dank eines Live-Klavierspielers beinahe leer war. Judith war eine von ihnen.
    Als überaus anhänglich erwies sich ein bedeutungslos gewordener Mann von erfreulich viel früher, Jakob hieß er, schade, dass dieser schöne Name nun ewig sein Gesicht tragen würde. Mit ihm war eigentlich längst alles besprochen (oder ausgeschwiegen). Nach drei Jahren zwischenmenschlicher Beziehung, und mehr als dazwischen war sie nie, hatte sich Judith gezwungen gesehen, selbige zu beenden. Der Grund: Jakob hatte eine hartnäckige Lebenskrise – namens Stefanie, die er bald danach heiratete.
    Aber das lag schon sechs Jahre zurück, und deshalb war Jakob an jenem Samstagabend im »Phoenix« wieder objektiv genug, zu bemerken, dass es keine schöneren Lippen gab als jene Judiths. Diese formten sich sogleich zur Frage: »Und was ist mit Stefanie?« Jakob: »Stefanie?« Der Name schien ihm in diesem Zusammenhang sehr weit hergeholt. Judith: »Warum ist sie nicht hier?« Jakob: »Sie ist zu Hause geblieben, sie macht sich nicht viel aus solchen Festen.« Wenigstens war sie daheim nicht allein, Felix (4) und Natascha (2) unterhielten sie sicher gut. Judith bestand darauf, Fotos von den Kleinen zu sehen, wie sie jeder halbwegs bekennende Papa in der Brieftasche mitführte. Jakob wehrte sich eine Weile, zeigte die Bilder aber schließlich her. Danach war er entspannt genug, nach Hause zu gehen.
    Judith wollte sich gerade einer an der Bar gegründeten Kriseninterventionsgruppe im Kampf gegen die globale Erwärmung zuwenden, da tippte ihr jemand, unangenehm kurz und punktuell, von hinten auf die Schulter. Sie drehte sich um und erschrak. Das war ein Gesicht, das nicht hierhergehörte. »So eine Überraschung«, sagte der Bananenmann. Judith: »Ja.« Er: »Ich dachte noch, ist sie es, oder ist sie es nicht?« Judith: »Ja.« Sie meinte, sie war es. Und sie fühlte sich in beklemmender Weise und unter heftigen Herzschlägen dabei erwischt. Jetzt half nur noch eines, jetzt musste sie reden. »Was machen SIE hier? Ich meine, was führt Sie hierher? Kennen Sie Gerd? Gehören Sie auch zum Geburtstagsfest? Sind Sie öfter hier? Sind Sie Stammkunde? Spielen Sie Klavier? Sind Sie der neue Pianist?« Einige dieser Fragen stellte sie, andere dachte sie nur. Darunter auch: »Haben Sie mich hier hineingehen gesehen?« Und: »Wollten Sie mir nur guten Tag sagen?«
    Nein, er war mit zwei Kolleginnen hier, erklärte er. Sie saßen ein paar Meter weiter an einem runden Tisch im gelben Licht eines zu tief hängenden wuchtigen Lampenschirms aus den achtziger Jahren. Er zeigte hin, sie winkten her, Judith nickte ihnen zu. Sie sahen zweifelsfrei nach Kolleginnen aus, kolleginnenhafter als die beiden konnte man eigentlich gar nicht aussehen. Wahrscheinlich war es der monatliche Jour fixe einer Steuerberaterkanzlei, aufgelockert durch flotte Barpianomusik.
    Der Bananenmann hieß Hannes Berghofer oder Burghofer oder Burgtaler oder Bergmeier, hatte eine große, warme rechte Handinnenfläche und einen derart durchdringenden Blick, dass sich sogar Judiths Nieren davon berührt fühlten. Sie spürte wieder, wie ihre Wangen von innen nach außen heiß wurden. Und dann sagte er auch noch: »Ich freue mich, Sie so oft zu sehen. Wir scheinen momentan irgendwie im gleichen Rhythmus zu leben.« Und dann fragte er auch noch: »Wollen Sie sich ein bisschen zu uns setzen?« Da musste Judith leider passen. Sie wollte nämlich gerade das Lokal wechseln, weil drüben im »Iris« das eigentliche Geburtstagsfest ihres Freundes, also ihres guten Bekannten Gerd stattfand. »Aber ein andermal gerne«, sagte sie, was immer ihr dabei eingefallen sein mochte. So offensiv war sie schon lange nicht gewesen.
    »Vielleicht darf ich Sie ja einmal auf einen Kaffee einladen«, meinte daraufhin Berghofer oder Burghofer oder Burgtaler oder Bergmeier. »Ja, warum nicht«, erwiderte Judith, weil es auch schon egal war. Die Hitze hatte nun die äußerste Schicht ihrer Wangen erreicht. Sie musste jetzt wirklich gehen. Er: »Gut, gut.« Sie: »Ja.« Er: »Na dann.« Sie: »Ja.«

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