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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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abgezogen waren und nur noch Dunstwolken an sie erinnerten, testete Judith immer, wie es ihr ging, so im vertrauten Rahmen mit sich und Bergen von benütztem Geschirr. Oh doch, es war schon die deutlich höhere Lebensqualität, eine Stunde Küchendienst zu versehen, die Fenster aufzureißen und Frischluft ins Wohnzimmer zu lassen, tief durchzuatmen, noch schnell eine präventive Kopfschmerztablette einzuwerfen, dann endlich den geliebten Polster zu umarmen und ihn erst um acht Uhr morgens wieder freizugeben. Das war eindeutig besser, als in die Psyche eines vermutlich (ebenfalls) betrunkenen, chronisch schweigsamen, für private Sperrstunden nicht geschaffenen, aufräumungsarbeitsunwilligen »Partner« dringen zu müssen, um auszuloten, ob er sich Hoffnungen machte oder Befürchtungen hegte, es könnte sich noch Sex ergeben. Diesen Stress ersparte sich Judith. Nur in der Früh, da fehlte er manchmal, der Mann neben ihr unter der Decke. Aber es durfte halt nicht irgendeiner sein, nicht einmal ein gewisser, nur ein bestimmter. Und deshalb konnte es leider keiner sein, den sie bereits kannte.
     
3.
    Judith ging gern in die Arbeit. Und wenn nicht, wie so gut wie immer nach Feiertagen, dann betrieb sie jeden nur erdenklichen Aufwand, es sich einzureden. Immerhin war sie ihre eigene Chefin, auch wenn sie sich mehrmals täglich eine andere, nachlässigere wünschte, zum Beispiel ihr Lehrmädchen Bianca, die nur einen Spiegel brauchte, um vollbeschäftigt zu sein. Judith führte ein kleines Unternehmen in der Goldschlagstraße im fünfzehnten Bezirk. Das klang zwar unternehmerischer, als es war, aber sie liebte ihr Lampengeschäft, mit keinem Lokal der Welt wollte sie es tauschen. Schon in der Kindheit waren dies die schönsten Räume auf Erden, voll glitzernder Sterne und funkelnder Kugeln, stets hell erleuchtet, immerzu festlich. In Opas glänzendem Freilichtmuseum ließ sich täglich Weihnachten feiern.
    Mit fünfzehn fühlte sich Judith wie im goldgelben Käfig, beim Hausaufgabenmachen von Stehlampen überwacht, bis in die intimsten Tagträume von Wand- und Deckenlustern ausgeleuchtet. Ihrem Bruder Ali war es zu hell, er verweigerte sich dem Licht und zog sich in Dunkelkammern zurück. Mama kämpfte verbissen gegen den Konkurs und ihre eigene erdrückende unternehmerische Unlust. Vater zog bereits schummrigere Lokale vor. Die beiden hatten sich im guten Einvernehmen getrennt. »Gutes Einvernehmen« war der grausamste Ausdruck, den Judith kannte. Er hieß, Tränen auf lachend nach oben gekrümmten Lippen trocknen und versteinern zu lassen. Irgendwann wurden einem die Mundwinkel so schwer, dass sie absackten und für immer unten blieben, wie bei Mama.
    Mit dreiunddreißig übernahm Judith das marode Lampengeschäft. In den vergangenen drei Jahren hat es wieder zu funkeln begonnen, nicht so schillernd wie zu Opas Glanzzeiten, aber Verkauf und Reparatur liefen gut genug, um Mama dafür zu entlohnen, dass sie daheim blieb. Das war das eindeutig beste Einvernehmen, in dem sich Judith bisher von irgendjemandem getrennt hatte.
    Der Dienstag nach Ostern verging für sie bei außergewöhnlich ruhigem Geschäftsgang hauptsächlich im Hinterzimmer unter dem matten Licht der Bürolampe und war reine Pflichtübung, die ihr die Buchhaltung vorschrieb. Von Bianca hörte man zwischen acht und sechzehn Uhr nichts, wahrscheinlich schminkte sie sich gerade. Um zu beweisen, dass sie an diesem Tag jedenfalls anwesend war, schrie sie knapp vor der Sperrstunde plötzlich: »Frau Cheeeefin!« Judith: »Bitte! Nicht so laut! Kommen Sie her, wenn Sie mir was sagen wollen.« Bianca, jetzt neben ihr: »Da ist ein Mann für Sie.« Judith: »Für mich? Was will er?« Bianca: »Guten Tag sagen.« Judith: »Ah.«
    Es war der Bananenmann. Judith erkannte ihn erst am Inhalt seiner Worte. Er: »Ich wollte Ihnen nur guten Tag sagen. Ich bin der, der Ihnen vor Ostern im ›Merkur‹ auf die Ferse gestiegen ist. Ich hab Sie in der Früh hier hineingehen gesehen.« Judith: »Und da haben Sie bis jetzt darauf gewartet, dass ich wieder herauskomme?« Sie kicherte unabsichtlich. Sie hatte das Gefühl, gerade ziemlich witzig gewesen zu sein. Auch der Bananenmann lachte, sehr schön sogar, mit zwei funkelnden, von hundert kleinen Fältchen umsäumten Augen und ungefähr sechzig strahlend weißen Zähnen. Er: »Ich hab hier nur ein paar Ecken weiter mein Büro. Da dachte ich …« Sie: »Sie sagen guten Tag. Das ist nett. Mich wundert, dass Sie mich erkannt

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