Ewig Dein
angebrochene Zeiten. Dazu passte hervorragend der südburgenländische Wein.
Irgendwann bemerkte Judith, dass die Hand auf ihrem Knie und somit auch Hannes fehlte. Nach langem Suchen fand sie ihn draußen, im letzten Eck des Gartens, stoisch auf einem Holzstoß sitzend. Dort ließ er sich vom Regen berieseln.
Judith: »Was machst du da?« Hannes: »Ich denke nach.« Er blickte seitlich an ihr vorbei. Judith: »Worüber?« Hannes: »Über dich.« Judith: »Und was denkst du da?« Hannes: »Über dich und Lukas.« Judith: »Lukas?« Hannes: »Du glaubst, ich sehe so etwas nicht.« Er schien sich dazu zwingen zu müssen, leise zu sprechen, die Stimmbänder klangen brüchig. Judith: »Was?« Hannes: »Dass er dich anschaut.« Judith: »Anschauen ist beim Reden üblich, oder?« Hannes: »Es kommt darauf an, wie.« Judith: »Hannes, nein, bitte nicht! Ich kenne Lukas seit zwanzig Jahren. Wir sind alte Freunde. Wir waren einmal vor langer, langer Zeit …« – »Was früher war, will ich gar nicht wissen. Für mich zählt, was heute ist. Du blamierst mich vor deiner Familie.«
Sie beugte sich zu ihm und sah ihm scharf ins Gesicht. Er zitterte, seine Mundwinkel zuckten mit den Augen um die Wette. Judith atmete demonstrativ durch und sprach langsam und eindringlich, wie man es tat, wenn man Grundsätze erklärte. »Stopp, Hannes, so nicht! Das ist das Allerletzte. Ich habe mich ganz normal mit Lukas unterhalten. Wenn das ein Problem für dich ist, dann hast du hiermit ein Problem mit mir. Solche Szenen vertrage ich nämlich ganz und gar nicht, schon seit der Pubertät nicht, und ich habe nicht vor, mich mit Mitte dreißig daran zu gewöhnen.«
Hannes schwieg und vergrub seinen Kopf in den Händen. »Ich gehe jetzt hinein«, sagte Judith. »Und das Gleiche würde ich auch dir empfehlen. Es regnet nämlich.« – »Warte einen Augenblick, Liebling«, rief er ihr nach. »Gehen wir bitte gemeinsam.« Seine Stimme klang jetzt wieder halbwegs normal.
7.
Gekreische, Gegluckse und Gelächter aus dem Garten weckten Judith am nächsten Morgen. Der blaue Schlafsack zu Füßen ihres Gästebetts war leer. Hannes musste sich hingelegt haben, als sie schon geschlafen hatte, und aufgestanden sein, als sie noch nicht wach gewesen war. Neben ihrem Polster lag ein Zettel, darauf ein ungleichförmiges Bleistiftherz und die Botschaft: »Liebling, ich weiß nicht, was gestern in mich gefahren war. Ich habe mich wie ein Fünfzehnjähriger benommen. Ich verspreche dir: So etwas wirst du nie mehr erleben. Verzeih mir bitte. Ich kann es nur mit meiner Wahnsinnsliebe zu dir erklären. Dein Hannes.«
Draußen war es sonnig. Vom Fenster aus sah sie ihn, blendend gelaunt, bestürmt von den Kindern. Abwechselnd hob er eines und drehte es in der Luft. Lukas und Antonia standen daneben und scherzten mit ihm. Als er Judith sah, winkte er ihr stürmisch zu.
Auf der Terrasse war schon das Frühstück angerichtet. »Wir haben ein nachtaktives Heinzelmännchen geerbt«, erfuhr Judith von Hedi. Die Berge von Geschirr waren gewaschen und weggeräumt, der Boden aufgekehrt. Die Küche erkannte sich selbst nicht wieder, so sauber war sie schon Jahre nicht gewesen. Sogar der scheinbar hoffnungslos verkrustete Herd war plötzlich wieder weiß. »Kann man deinen Hannes auch unter der Woche mieten?«, fragte Hedi. Judith bemühte sich, herzlich zu lachen.
Hannes wehrte die Komplimente ab. »Wenn ich nicht schlafen kann, stürze ich mich am liebsten in Hausarbeit. Das ist ein Tick von mir«, sagte er. »Und beim Frühstück hat mir Mama geholfen.« Sie saß natürlich neben ihm. Er berührte ihre Schulter. »Ach die paar Tassen«, sagte sie und belohnte ihn mit einer Serie divenhafter Augenaufschläge.
Am Vormittag, während Hannes mit den Kindern herumtollte, konnte Judith ihrem stillen Bruder Ali doch noch ein paar Worte entlocken. Auf die Antidepressiva war er jetzt besser eingestellt, manchmal strotzte er geradezu vor Tatendrang, erzählte er. Er freute sich riesig auf das Baby und schwor sich (und Hedi), der perfekte Vater zu sein. Was ihm lediglich fehlte, war eine regelmäßige Arbeit. Mit Landschaftsfotos war nichts zu verdienen. Was anderes hatte er leider nicht gelernt, dabei wollte er es auch ganz gerne belassen.
»Und was hältst du von Hannes?«, fragte Judith. Ali: »Aufräumen kann er.« Judith: »Und sonst?« Ali: »Ich weiß nicht, er ist irgendwie so … unheimlich … so unheimlich nett.« Judith: »Ja, das ist er.« Ali: »Und er gehört
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