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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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gewartet, der alle ihre Träume überblickte. Nun, mit Mitte dreißig, ein Alter, in dem die Illusionen aufgebraucht waren, hatte sie plötzlich Hannes Bergtaler neben sich.
    Sex? – Ja klar, natürlich, nicht sooft er wollte, aber immer noch dreimal so oft wie mehr als genug. Für sie selbst war es … ja, gut, es war wirklich okay. Das Besondere daran war, wie schön es für ihn war. Er genoss es so sehr. Und sie genoss seinen Genuss daran, seinen Genuss an ihr.
    War das schlimm? War sie ein Narziss? Hatte sie Bergtaler gebraucht, um sich selbst wieder schön und begehrenswert zu finden? Hatte sie ihn benötigt, um sich selbst wieder genug wert zu sein? Wie wenig musste sie sich wert gewesen sein? Wie schlecht war es ihr gegangen, ohne dass sie es merkte? Wie gut ging es ihr jetzt? Wie gut würde es weitergehen? Und wohin?
    Keine Antworten mehr. Die weißgelben Tafeln unter ihren Lidern verdunkelten sich. Judith öffnete die Augen. Ach, nur eine kleine, harmlose Schäfchenwolke.
     
2.
    Am Freitag vor Pfingsten war Judith erstmals zu Besuch in seiner Wohnung in der Nisslgasse. Er war schon Stunden vor ihr dort gewesen, um »aufzuräumen«, wie er sagte – wobei sie sich nicht vorstellen konnte, dass irgendwas in seinem Leben unaufgeräumt sein konnte, schon gar nicht sein Zuhause.
    An der Pforte benahm er sich sonderbar, öffnete die Tür nur zögerlich, als fürchtete er, von unliebsamen Gästen heimgesucht zu werden. Als sie eingetreten war, sperrte er zu und schob einen Riegel vor. »Hast du was?«, fragte sie. »Dich lieb!«, erwiderte er. – »Und sonst? Du wirkst so angespannt.« – »Du in meiner Wohnung, wenn mich das nicht anspannt, was dann?«
    An der Einrichtung erkannte sie, wie wenig sie von ihm wusste und wie klar doch alles war. Jeder Gegenstand, darunter dunkle antike Stücke von beträchtlichem Wert, hatte seinen Platz und wirkte unverrückbar. Von der großväterlichen Sitzcouch genoss man einen herrlichen Ausblick auf ein monströses Bügelbrett, das im Zentrum des Zimmers postiert war und von einer mit hässlichen milchkaffeefarbenen Glasklötzen behängten Sparlampe beleuchtet wurde. Die Küche war klein und klinisch sauber wie aus dem Prospekt. Das Geschirr versteckte sich aus purer Angst, benutzt zu werden, in den Vitrinen. Judith wollte ohnehin nur ein Glas Wasser.
    Der einzige lebendige, bewohnt wirkende Raum war das Büro. Hier erst konnte man auf die Idee kommen, dass der Mieter Architekt und nicht Nachlassverwalter im Ruhestand war. An den Wänden, auf dem Schreibtisch, auf dem Parkettboden, überall hingen und lagen Pläne. Es roch nach Bleistift, Radiergummi und akribischer Detailarbeit.
    Die Schlafzimmertür war zu und hätte es ruhig auch bleiben können. Hannes öffnete sie ohnehin nur einen Spalt, als dürften die von kahlen Nachtkästchen flankierten zwei Einzelbetten mit ihren karierten Deckenüberwürfen in ihrem Jahrtausendschlaf nicht gestört werden. Von der Decke hing ein weißer Vollmond herab. Kugellampen verkauften ihr Licht immer unter seinem Wert, wusste Judith.
    »Schön«, sagte sie in Dreißigsekundenintervallen. »Nicht ganz mein Stil, aber sehr schön«, schob sie dazwischen ein paar Mal ein. Hannes führte sie bei der Besichtigung durchgehend an der Hand, als würde man unzugängliches Gelände oder gar vermintes Gebiet betreten. »Sind hier schon viele Frauen ein und aus gegangen?«, fragte Judith. »Ich weiß es nicht, die Vormieter waren jedenfalls Ärzte, ein Dentistenpaar«, erwiderte Hannes. Er beherrschte die Kunst, Fragen, die gar nicht falsch verstanden werden konnten, falsch zu verstehen.
    Am Ende der Führung standen sie eine Weile ratlos, wie das Programm jetzt weitergehen sollte, in der Nähe des Bügelbretts. Bald bekam er den mittlerweile eindeutigen Hannes-Blick mit den vielen sonnigen Lachfältchen, umarmte und küsste sie. Ein paar Schritte wankten sie auf die Couch zu. Bevor sie sich fallen lassen konnten, ergriff Judith aus der Umklammerung heraus das Wort. »Du, Lieber«, flüsterte sie ihm ins Ohr, »fahren wir zu mir?«
     
3.
    »Und was machen wir am Wochenende?«, fragte Hannes. Der Samstag war bereits eine Stunde alt; das Licht in Judiths Schlafzimmer (gespendet von dem verspielten Messingluster einer jungen Prager Designerin) abgedreht. Sie war gerade noch wach, lag mit dem Kopf auf seinem Bauch in ihrem Bett und spürte angenehm seine kräftigen Finger, die ihre Kopfhaut massierten.
    Sie seufzte tief und so gequält, wie sie nur

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