Ewig sollst du bueßen
setzen, blickte Richterin
Spiegel zum Officer hin und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. »Miss
Curtis, wie ich sehe, haben Sie das A-Team bemüht«, sagte sie, ohne Anna anzusehen.
»Guten Morgen, Officer Green«, schnurrte sie. Wenn Anna es nicht besser wüsste,
hätte sie schwören können, dass die Richterin ihm schöne Augen machte. Der
Officer erwiderte die BegrüÃung und die zwei scherzten einen Augenblick
miteinander.
Anna blickte zu Nick hin, der schmunzeln musste. Er war nicht
überrascht von der offensichtlichen Verbundenheit zwischen Richterin und
Polizist, und es amüsierte und ärgerte ihn zugleich.
Die Richterin wandte sich schlieÃlich wieder ihrer Tagesordnung zu
und merkte an, dass die Klage gegen Dâmarco als erste des Tages in etwa einer
Stunde verhandelt würde. Grace kümmerte sich um die restlichen Terminfestsetzungen,
damit Anna sich mit Laprea unterhalten konnte.
»Ich kann das nicht, Miss Curtis. Bitte zwingen Sie mich
nicht dazu«, bat Laprea. Sie standen in dem kleinen Besprechungsraum in der
Nähe des Eingangs zum Gerichtssaal. Rose saà in einem der Plastikstühle, die
Arme unglücklich vor ihrem Körper verschränkt, während Green sich in einer Ecke
herumdrückte.
»Vor drei Monaten haben Sie mich noch gebeten, Dâmarco
wegzuschlieÃen«, erwiderte Anna mit wachsendem Frust. »Wollen Sie wirklich,
dass er hier heute als freier Mann rausgeht? Er wird Ihnen immer wieder wehtun.
Und wenn er weiÃ, dass er dafür keine Konsequenzen zu erwarten hat, werden die
Schläge nur noch schlimmer werden.«
Laprea sah zu Boden. Ein Teil von ihr wusste, dass es stimmte. Doch
heute war sie voller Hoffnung.
»Er wird sich ändern. Er besucht Antiaggressionskurse. Er macht eine
Berufsausbildung.«
»Hat er das nicht auch schon vorher gemacht?«
»Ich erwarte nicht von Ihnen, das zu verstehen. Aber er ist der
Vater meiner Kinder. Was hilft es meinen Kleinen, wenn ihr Vater im Gefängnis
sitzt? Er will da sein, um Dâmontrae und Dameka aufwachsen zu sehen. Sie brauchen
ihn.«
»Es wäre besser für sie, ohne Vater aufzuwachsen, als dabei
zuzuschauen, wie er andauernd ihre Mutter schlägt«, antwortete Anna bestimmt.
»Bei allem Respekt, Miss Curtis, aber Sie kennen sich mit meinem
Leben nicht aus.«
Anna hielt inne. Ihr wurde klar, was Laprea vor Augen hatte, wenn
sie Anna anschaute: eine weiÃe Frau in einem Anzug, eine Person aus einer
völlig anderen Welt. Anna wollte ihr sagen, dass das alles nur schöner Schein
war. Der Hosenanzug, der Abschluss in Jura, darauf kommt es
nicht an. In unserem Innern sind wir uns ähnlicher,
als Sie denken mögen. Aber sie konnte die
richtigen Worte nicht finden, und dann war der Moment vorbei.
»Es ist nicht alles seine Schuld«, sagte Laprea sanft. »Ich habe
auch etwas dazu beigetragen.«
»Es ist seine Schuld!«, rief Anna frustriert. »Egal, was Sie meinen,
getan zu haben â Sie haben das nicht verdient!«
Rose meldete sich verbittert zu Wort. »Ich habe bei Dâmarco nie
irgendwelche Schrammen gesehen.«
Laprea wandte sich ihr zu. »Mama, ich weiÃ, dass es hart ist. Einige
Männer wollen dich einfach nur ins Bett kriegen, und das war es dann. Dâmarco
will zu meinem Leben gehören. Er will für mich und meine Kinder sorgen. Und ich
werde das nicht beenden.«
Anna drohte vor Frust zu explodieren. Sie musste sich entschuldigen
und den kleinen Raum verlassen, um ihren Kopf freizubekommen. Sie ging zu einer
Hintertür des Gerichtsgebäudes und trat auf den Hof hinaus. Es war Anfang Mai
und sie atmete den Geruch von feuchter Erde ein, als sie auf und ab ging. Die
Raucher unter dem Dachvorsprung nahm sie gar nicht wahr.
Manchmal lieà sie eine Klage abweisen, wenn ein Opfer sie bat, die
Anschuldigungen fallen zu lassen. Sie zog es auch hier in Betracht. Laprea
wollte es so. Einige Leute argumentierten, dass es selbstherrlich sei, eine
Klage gegen den Willen des Opfers weiterzuverfolgen. Anna wollte sich nicht
über Lapreas Entscheidung hinwegsetzen; sie wusste, dass es für die Frau
wichtig war, ein wenig Selbstkontrolle über ihr eigenes Leben zu haben.
Ungewollt blitzte eine Erinnerung auf. Anna sah das Gesicht ihrer
Mutter vor sich, die Angst in ihren Augen, wenn ihr Vater nach einer weiteren
Nacht in der Bar nach Hause kam. Der Alkohol kam ihm förmlich aus den
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