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Ewig sollst du bueßen

Ewig sollst du bueßen

Titel: Ewig sollst du bueßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Leotta
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dem die Geschworenenbank und der
Richtertisch verkleidet waren. Der dünne braune Teppichboden war in den am
meisten beanspruchten Bereichen großflächig abgenutzt. Ein unregelmäßiger Fleck
erstreckte sich über mehrere fluoreszierende Lichtpaneele. Hier war, wollte man
einer Legende glauben, eine Ratte hineingeraten und gestorben.
    Â»Bitte erheben Sie sich!«, rief der Gerichtsdiener.
    Es wurde lauter, als alle aufstanden. Richterin Nancy Spiegel ging
zu ihrem Tisch, wobei ihre schwarze Robe hinter ihr her flatterte. Sie war eine
attraktive Frau von etwa Mitte vierzig, ihr braunes Haar trug sie lockig und
zwischen ihren Augen war wie stets eine Furche zu sehen. Sie schien in nicht
schlechterer Laune als sonst zu sein.
    Die Richterin begann die Fälle aufzurufen, die auf der Tagesordnung
standen. Wenn das Opfer erschien und kooperativ war – zwei große Unwägbarkeiten – oder falls die Staatsanwaltschaft den Beweis ohne das Opfer führen konnte,
dann riefen die Anwälte »bereit«. Alle diese »Bereit«-Fälle wurden später
verhandelt. Sollten die notwendigen Zeugen nicht greifbar sein, riefen sie
»nicht bereit« und die Richterin wies die Klage ab. Die Angeklagten dieser
Fälle wurden sofort freigelassen.
    Was die Termine der Häuslichen-Gewalt-Fälle anbelangte, so waren die
Staatsanwälte in fast der Hälfte aller Fälle »bereit«, was im Hinblick auf den
nationalen Standard eine beeindruckende Bilanz war. Zum Termin der Verhandlung
waren die Opfer häufig zu ihren Peinigern zurückgekehrt und weigerten sich, mit
der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Die Staatsanwälte wussten das und
versuchten Beweismaterial für Erfolg versprechende Fälle auch ohne ein
aussagewilliges Opfer zusammenzutragen. Doch oft erwies sich das als unmöglich.
    Anna wusste, dass sie ohne eine Aussage von Laprea nichts gegen
D’marco Davis in der Hand hatte.
    Anna blickte sich zum Publikum um, in der Hoffnung, Laprea dort zu
entdecken. Sie sah, dass Nick in der ersten Reihe bei den anderen
Strafverteidigern saß. Er lächelte, als Anna ihn anschaute. Sie versuchte zu
ignorieren, dass ihr Magen wie bei einer Achterbahnfahrt bis in die Knie
sackte. Sie fragte sich, ob Nick lächelte, weil er froh war, sie zu sehen, oder
weil er wusste, dass sein Mandant vor der Freilassung stand. Sie nickte ihm zu,
aber lächelte nicht zurück.
    Â»Aufruf der Sache Vereinigte Staaten gegen D ’marco Davis «, sagte die
Richterin. Der Gerichtsdiener führte den Angeklagten in den Gerichtssaal.
    Anna schaute sich D’marco genauer an. Obwohl sie nun seit zwei
Monaten über ihn nachgedacht hatte, sah sie ihn heute zum ersten Mal
persönlich; durch das Rotationssystem ihres Büros hatten sich andere
Strafverfolger mit D’marcos früheren Anhörungen beschäftigt. Der Typ sah
beeindruckend aus. D’marco war so groß wie sein schlaksiger Anwalt und wirkte
in seinem orangefarbenen Overall wie ein Football-Spieler. Was von seinen Armen
zu sehen war, war mit Muskeln bepackt, und seine Hände waren so groß wie Teller
im Steakhouse. Sein Haar trug er auf dem Oberkopf in kurzen Cornrows, hinten fiel
es in dünnen Zöpfen bis auf seine Schultern. D’marco begrüßte seinen Anwalt und
betrachtete dann das Publikum. Er lächelte. Er wusste, was es bedeutete, dass
Laprea nicht da war. Dann wandte er sich der Richterin zu, neigte respektvoll
den Kopf und sagte mit weicher und höflicher Stimme: »Guten Morgen, Euer
Ehren.« Der Typ war ein Profi.
    Die Richterin stellte Anna die Frage des Tages: »Miss Curtis, ist
der Staat bereit, mit dem Verfahren in diesem Fall fortzufahren?«
    Ohne Laprea konnte Anna den Fall nicht für »bereit« erklären. Ihr
schnürte sich die Kehle zu bei dem Gedanken, dass D’marco davonkommen würde.
Sie öffnete ihren Mund, um »Nein« zu sagen, als ihr jemand auf die Schulter
tippte. Officer Green war zurück. Er flüsterte Anna etwas ins Ohr und zeigte
auf die letzte Reihe, wo Laprea sich gerade setzte. Anna seufzte vor
Erleichterung auf.
    Â»Ich danke Ihnen«, flüsterte Anna.
    Â»Los, schnappen Sie ihn sich«, erwiderte Green.
    Â»Der Staat ist zur Verhandlung bereit«, verkündete Anna. Sie blickte
zu D’marco, damit ihr seine Reaktion nicht entging. Er starrte mit
versteinerter Miene geradeaus.
    Als Green sich umdrehte, um sich zu

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