Ewig sollst du bueßen
diesem Fall, das erste
Mal, dass sie etwas in einem Gerichtssaal für schwere Straftaten äuÃern würde,
und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie das vor einer Reihe von Journalisten
tun würde. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht den Schweià an ihrem
Haaransatz sehen konnten.
McGee saà hinter den Journalisten und las in einer Zeitung, die er
schnell beiseitelegen würde, wenn die Richterin ihren Platz einnahm. Er trug
einen blauen Seersucker-Anzug und eine Krawatte mit groÃen Sonnenblumen. Er war
bereit.
Vor drei Tagen hatte es schon eine Anhörung in der Sache Die Vereinigten Staaten gegen Dâ marco
Davis gegeben. Jack hatte diese weniger wichtige Anhörung allein
erledigt; Anna war in einem Gerichtssaal für minderschwere Straftaten
aufgehalten worden. Dâmarco war aufgrund des Haftbefehls vorübergehend
festgenommen worden, aber wenn der Staat Dâmarco bis zur Verhandlung im
Gefängnis behalten wollte, musste offiziell dargelegt werden, dass es genügend
Beweise dafür gab, dass er den Mord begangen hatte.
Die Tür des Gerichtssaals öffnete sich hinter ihr, die Reporter
wurden unruhig, und Anna hielt einen Augenblick die Luft an. Sie wusste, wer
das war. Sie drehte sich um und sah Nick, der den Gang entlangkam, dabei die
Reporter anlächelte und ihnen zunickte. Als er vorn angekommen war, fiel sein
Blick auf Anna.
Ganz gegen ihren Willen fühlte sie sich unter Nicks Blick glücklich,
locker und wohl. Seine Erscheinung schickte immer noch Glückssignale in das
Lustzentrum ihres Gehirns. Sie musste sich bewusst daran erinnern, dass er hier
nicht auftauchte, um sie zur BegrüÃung zu küssen, sondern um gegen sie zu
kämpfen und einen Mörder freizubekommen â für einen Mord, den er zugelassen
hatte. Sie sollte ihn hassen. Sie schaute Nick an und fragte sich, ob er
genauso hin- und hergerissen war. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Er
sah gut aus.
Plötzlich fiel ihr Jack und der volle Gerichtssaal ein. Sie wandte
sich schnell von Nick ab, doch es war zu spät. Er ging direkt auf sie zu.
»Hallo, Anna.« Er hielt inne und streckte seine Hand aus, um sie
begrüÃen.
»Hi, Nick.« Sie schluckte und gab ihm ihre Hand. Sie fühlte, wie
sich seine warme Handfläche gegen ihre drückte, wie früher schon so oft, doch
jetzt unter völlig anderen Umständen. Sie standen so nah beieinander, dass sie
förmlich die Wärme seines Körpers spüren konnte.
»Du siehst hübsch aus«, sagte er sanft.
Seine braunen Augen wirkten müde, aber aufrichtig. Als Anna in sie
hineinschaute, fühlte sie so etwas wie Heimweh. Dann fiel ihr auf, dass er ihre
Hand nicht losgelassen hatte â und zog sie schnell zurück. Sie hielt die Hand
ein paar Zentimeter von ihrem Oberschenkel entfernt, die Finger gespreizt, als
ob sie sich verbrannt hätte.
»Danke.« Sie bemühte sich, ganz beiläufig zu klingen. Hatten die
vielen Leute ihre Nanosekunde Vertrautheit und ihre skandalöse Reaktion darauf
bemerkt? Ihre Augen schweiften umher. Sollte es den Zeichnern aufgefallen sein,
so skizzierten sie es wenigstens nicht.
Dann drehte sie sich Jack zu. Er hatte es bemerkt. Er sah Nick kühl
an.
»Meinen Sie nicht, dass ich auch hübsch aussehe?«, fragte Jack Nick
sarkastisch. »Ich habe extra diese Krawatte ausgesucht.«
»Aber sicher, Jack«, antwortete Nick und blickte den Chef der
Mordabteilung an. »Sie sehen immer ⦠gleich aus.«
Das Klappen der Richtertür unterbrach ihre BegrüÃung. »Alle
erheben!«, rief der Gerichtsdiener. Als Richterin Nancy Spiegel hereinkam,
nickte Nick und ging zum Tisch der Verteidigung. Als die Richterin Platz genommen
hatte, blickte Jack Anna fragend an. Er wollte wissen, was zwischen ihr und dem
Strafverteidiger vor sich ging. Anna blickte auf ihre Unterlagen hinunter und
hoffte, dass er nicht ihre Gedanken lesen konnte. Das Herz schlug ihr bis zum
Hals.
»Guten Morgen allerseits«, sagte Richterin Spiegel und schlug mit
dem Hämmerchen leicht auf. »Bitte setzen Sie sich.« Der Richterin schien es
heute an ihrem üblichen Schwung zu fehlen und die Falte zwischen ihren Augen
sah besonders tief aus. Anna fragte sich, ob sich die Richterin ebenfalls
schlecht fühlte wegen ihrer Rolle, die sie bei der Freilassung Dâmarcos vor ein
paar Monaten gespielt hatte.
In den drei Monaten seit Dâmarcos
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