Ewig sollst du schlafen
Million Abzüge machen und einen an McFee und Baldwin in Dahlonega faxen. Einer von ihnen muss es dem Jungen zeigen, der vom Felsen gestürzt ist. Er ist der Einzige, der das Gesicht des Mörders gesehen hat.«
»Sie meinen, der Einzige, der noch lebt«, flüsterte Nikki. Wie gebannt betrachtete sie die Wohnung ihrer Freundin mit ihrer fröhlichen, pastellfarbenen Ausstattung. Alles war sauber und ordentlich. Aufgeräumt. An Ort und Stelle. Genauso wie alles in Simones Leben. »Ich wollte sagen, er ist der Einzige, mit dem wir gleich sprechen können«, korrigierte Reed seine Aussage. »Ich will, dass Chevalier im ganzen Bundesstaat zur Fahndung ausgerufen wird, vielleicht sogar noch umfassender. Jeder Polizist im Südosten muss die Augen nach diesem Scheißkerl offen halten.«
»Amen«, fügte Morrisette hinzu. »Wir müssen dieses perverse Schwein finden und wegsperren. Auf der Stelle.« Doch Nikki beschlich das Gefühl, dass es zu spät war. Zu viele Stunden waren bereits vergangen. Wie standen die Chancen, dass Simone noch lebte? Sie hob Mikado wieder hoch und drückte ihn an sich. Es war tröstlich, den Herzschlag des Hündchens zu spüren. »Ich nehme ihn mit«, sagte sie, und ausnahmsweise hatte keiner von den Polizisten etwas dagegen einzuwenden.
Es ist dunkel. Und kalt.
So dunkel und kalt und …ich bekomme keine Luft. Und alles tut weh. Schlimmer als alles, was ich bisher erlebt habe.
Sie befand sich in einem Schwebezustand, wollte aufwachen und nahm nichts anderes wahr als die Finsternis ringsum und einen schrecklichen Gestank, der sie würgen ließ. Sie spürte einen dumpfen Schmerz im ganzen Körper, und ihr Arm … Gott, ihr Arm tat höllisch weh. In ihrem Kopf herrschte so eine verflixte Benommenheit und … sie konnte sich nicht bewegen, kaum atmen. Sie versuchte, sich umzudrehen, und stieß mit der Schulter gegen etwas Massives. Schmerz schoss erneut durch ihren Arm. Hatte sie sich verletzt? Sie erinnerte sich nicht. Sie hustete. Bemüht, sich aufzurichten.
Ihr Kopf stieß gegen etwas Hartes. Was zum Teufel war das, und warum kriegte sie keine Luft? Und dieser Geruch … Sie spürte ein Rattern im Magen. Die Spinnweben in ihrem Kopf wichen der Panik.
Plötzlich wurde ihr klar, warum sie sich nicht regen, nicht durchatmen konnte. O Gott … Nein … Sie spürte etwas Kaltes, Weiches unter ihren nackten Beinen, Pobacken und Schultern.
Sie lag in einem Sarg. Mit einer Leiche. Entsetzen packte sie.
Sie schrie wie am Spieß. Hämmerte wild gegen die Seiten und den Deckel des Sargs. Er schien um sie herum zu schrumpfen, sie einzuzwängen auf so engem Raum, dass sie sich überhaupt nicht rühren konnte.
»Nein! O bitte, nein! Hilfe! HILFE!« Sie weinte und hustete, die faulige Luft brannte in ihren Lungen. Der Dreckskerl, der ihr aufgelauert hatte, war der verdammte Grabräuber! Warum, o Gott, warum nur? Binnen Minuten, vielleicht sogar Sekunden würde sie gar keine Luft mehr bekommen. »Lass mich raus«, rief sie verzweifelt, jammerte und kreischte und klopfte mit der gesunden Hand gegen den Sarg. Sie trat. Heftig. Aber die Stahlverkleidung gab nicht nach. Während ein stechender Schmerz durch ihren Knöchel fuhr, war nur ein dumpfer Ton zu hören. O nein, o nein …Jetzt begriff sie. Sie entsann sich, wie sie im Eilschritt zur Sporthalle marschiert war, in Gedanken schon in ihrem Kurs. Sie bemerkte nicht, dass ihr jemand auflauerte, ahnte nicht, dass der Unhold sie in die Falle gelockt hatte.
Als er sie zu Boden rang und ihr die Nadel in den Arm jagte, sah sie sein Gesicht. Erkannte ihn, ihr wurde das Ausmaß des Bösen bewusst, dem sie ausgeliefert war. Obwohl er älter geworden war und sich verändert hatte, wusste sie, wer ihr das antat. Flüchtig erinnerte sie sich an den Prozess. Die Zeugenaussage. Die grauenhaften Bilder vom Tatort. Den kaltblütigen Mord an einer Frau und ihren Kindern. LeRoy Chevalier war ein Tier. Er hatte Carol Legittel und ihre Kinder erbarmungslos verprügelt. Er hatte sie alle vergewaltigt, sie dann gezwungen, miteinander zu schlafen. Krankenakten wurden beim Prozess vorgelegt, die nur bestätigten, wie pervers und skrupellos er war. Er hatte die Gefängnisstrafe verdient. Oder die Hölle. Oder beides. Als sie von seiner Freilassung hörte, hatte sie für einen Moment befürchtet, dass es Ärger geben könnte. Aber das hier hatte sie nicht erwartet. Nein, nicht im Entferntesten.
»Hilfe, o Gott, helft mir doch!«, schrie sie, und in ihrem Kopf drehte sich
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