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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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Dimitri Pawlowitsch. Oh, welch freudige Überraschung, Oswald Rayner und John Scale vom Secret Intelligence Service Seiner Majestät, des Königs von England, sind auch zugegen. Ich begrüße Sie alle aufs herzlichste, meine Herren.«
    Der Alte ließ seinen kalten Blick über die erstaunten Männer in aufgekrempelten Hemdsärmeln wandern. Da bemerkte er auch verwundert die schreckgeweiteten Augen seiner Männer. Er folgte ihren Blicken und sah die zusammengesunkene, auf einen Sessel gebundene Gestalt, die nichts Menschliches mehr an sich hatte. Seine Blicke schweiften weiter und er sah, dass überall auf dem Fußboden Blut und Auswurf klebte, auch an den Gesichtern und am weißen Stoff der Hemden der Ertappten erkannte er dunkelrote, gestockte Spritzer. Waren er und seine Einsatztruppe zu spät gekommen, fragte er sich zornig und mit einer heftigen Bewegung schleuderte er Felix Jussopow zu Boden. Sofort kroch dieser hinter die Reihen seiner Mittäter und brachte sich in Sicherheit.
    Der Alte steckte seine Pistole in die Manteltasche und näherte sich der blutenden, vollkommen nackten, muskulösen Gestalt. Was er hier sehen musste, erinnerte den erfahrenen Mann an Skulpturen des gegeißelten Schmerzensmannes, die er in diversen Kirchen und Klöstern schon so oft gesehen hatte. Aber die künstlerische Umsetzung spottete bei aller Grausamkeit der Bestialität dieses Augenblicks. Zwischen den Beinen hing dem Gefolterten ein riesiger Penis schlaff herab. Magengegend und Genitalien zeigten Spuren schwerer Misshandlungen.
    Zögernd ergriff der Anführer die in langen, fettigen Strähnen herabhängenden Haare des Gefesselten und hob den Kopf an, um das geschundene Gesicht im Licht besser erkennen zu können. Ein struppiger Vollbart bedeckte es fast vollständig. Ohne Zweifel, Rasputin.
    Plötzlich regte sich die Gestalt. Der Mann in Feldgrau wich erschreckt zurück. Rasputin öffnete die Augen. Sein tiefliegender, stahlblauer Blick schien alles und jeden sofort zu durchbohren. Er hob die Hände und begann mit rauer, dunkler Stimme unverständliche Worte zu stammeln.
    »Er zitiert die Bibel«, flüsterte der Pole seinem Anführer zu. Der nickte und deutete ihm zu verstummen. Er atmete tief durch und ging vor Rasputin in die Hocke, damit der ihm ins Gesicht sehen konnte.
    »Erkennen Sie mich?«, fragte er den vor sich hin dämmernden Mann. Rasputin schien aus einer Trance zu erwachen und schaute ihn an. Nicht der Zustand des Gefesselten, sondern sein Blick war es, der in dem Österreicher zum zweiten Mal eine heftige, emotionale Reaktion auslöste. Nur mit Mühe überwand er, wie schon bei ihrer ersten Begegnung, seine augenblickliche Abneigung gegen den Mystiker und versuchte, in seine antrainierte Professionalität zurückzufinden.
    »Erkennen Sie mich, Grigori Jefimowitsch?«, wiederholte er.
    Rasputin überlegte kurz, dann hob er röchelnd zu sprechen an: »Natürlich. Sie sind zurückgekommen, wie Sie gedroht haben. Nach zehn Jahren … Und wieder mit vier anderen … Nur diesmal ohne Auto, um mich totzufahren.« Rasputin verlor wieder das Bewusstsein.
    Der Alte rieb sich die Stirne. Es war 1910 gewesen, als er und vier andere aus dem Rat der Zehn Rasputin mit dem Automobil überfahren hatten, um ihn zum Schweigen zu bringen. Aber der zähe Asket hatte überlebt. Lange Tage hatte er daraufhin selbst dem Genesenden im Petersburger Krankenhaus ins Gewissen geredet, dass er über das Geheimnis zu schweigen habe und es nicht anwenden dürfe. Aber nein, der starrsinnige Rasputin musste ja unbedingt den Zarewitsch am Leben halten! Ein sterbenskrankes Kind vor dem Tod zu bewahren, war kein Vergehen, das vom Orden bestraft würde, aber das allgemeine Aufsehen darum, die Hofintrigen, und dann der Lebenswandel dieses Mannes …
    Der grauhaarige Mann fragte sich, ob Rasputin wegen des gescheiterten Attentats und der ausgesprochenen Drohung, wiederzukommen, falls er sich nicht an die Regeln hielt, zu saufen begonnen hatte. Wer hätte das ahnen können! Die Frage war nun, ob er in all den Saufgelagen und Hurereien sein Schweigen eingehalten hatte oder nicht.
    Der Alte richtete sich auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. Schaute auf Rasputin hinab.
    »Superior, wir verlieren wertvolle Zeit«, raunte ihm einer seiner Leute zu und fuhr fort: »Die feinen Herren hier haben den Mann grausam gefoltert, weil sie offenbar etwas von ihm erfahren wollten. Was ist, wenn es das …«
    »Silentium!«, herrschte ihn der Alte an, gab aber dann

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