Ewig
glaubte damals, der Mann am Bug im roten Gewand und mit der schwarzen Kappe …«, gab Sina zurück.
»Sehr gut, Professor. Unterschätzen Sie niemals die Wahrnehmung eines Kindes. Der Mann, der mit der ausgestreckten Hand voraus nach Jerusalem, also nach Südosten weist, mit dieser Geste seinen Leuten befiehlt, ihm zu folgen, das ist Jasomirgott. Und er ist noch in vielen anderen Medaillen abgebildet. Paul Wagner in seiner historischen Naivität hat den verkappten Herzog auf jedem einzelnen Hinweis entdeckt: Wie er heimlich den Einzug seines Bruders in Regensburg auf der Tafel des Schottenaltars kommentiert und wie er schließlich den Vatermörder der Gerechtigkeit zuführt. Heinrich richtet ihn persönlich hin, auf einer Jagd, genau wie der Bruder den Vater abgeschlachtet hatte. Nicht umsonst bezeichnet diese Tat den Beginn des Drachenvierecks. Mit dem Mord an Leopold III. und der Sühne dafür beginnt das Geheimnis«, erklärte der Fremde.
»Welches Geheimnis? Was ist sein Inhalt?«, stieß der Wissenschaftler nach.
»Enttäuschen Sie mich jetzt nicht, Professor Sina. Ich habe Ihnen längst verraten, worum es geht«, gab der Unbekannte zu bedenken. »Ein paar Dinge müssen Sie schon selbst herausfinden. Ich wollte Ihnen nur den Anstoß in die korrekte Richtung geben.«
Der Reporter hielt den Studenten fest am Arm und ließ nicht locker. »War hier außer Ihnen noch jemand in diesem Zimmer?«, fragte er den verdutzten Sicherheitsmann. Der schüttelte immer wieder nur stumm und erschreckt den Kopf. Wagner war langsam bereit, ihm zu glauben. Wenn nicht hier, wo dann … »Moment, noch eine Frage. Übertragen Sie die Daten von den Kameras mit einer festen Leitung oder über ein Funknetz?«
Der Student stutzte. »Über ein Funknetz, warum?«
Aber der Reporter war schon draußen und rannte über den Vorplatz des Stiftes, suchend.
»Warten Sie, legen Sie nicht auf!«, rief Sina.
»Vor wenigen Minuten wollten Sie nicht einmal mit mir reden, Professor. Wie schnell sich doch die Dinge ändern …«, lachte der Fremde. »Was wollen Sie noch? Was ich konnte, habe ich Ihnen gegeben. Das Pferd ist gesattelt, jetzt müssen Sie es nur noch reiten.«
»Wohin führt die Reise? Jasomirgott und der Schottenaltar sollen uns nach Südosten oder in den Süden führen? Wohin will Friedrich, dass wir gehen? Nach Ägypten?«, fragte Sina den Unbekannten.
»Ex oriente lux! Ein brillanter Gedanke, Professor. Und doch liegen Sie vollkommen falsch. Wenn auch nur geografisch. Ein unbedeutender, kleiner Irrtum von tausenden von Meilen«, präzisierte der Fremde.
»Hören Sie auf damit, ich brauche Antworten!«, wagte Sina eine Offensive und wartete auf die Reaktion.
»Touché, Professor«, erklang die heisere Stimme des Fremden nach einer kurzen Pause. »Also gut. Welches Omen zeigte gemäß dem alten Wissen den Tod eines Herrschers oder das Kommen einer Katastrophe von globalen Ausmaßen an?«
»Ein Komet normalerweise«, antwortete Sina.
»Vor Kurzem erst haben Sie einen gesehen, erinnern Sie sich?«, meinte die Stimme.
Sina überlegte kurz. »Ja, den Weihnachtsstern auf dem Altar des Schottenmeisters, genau über der Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten.«
»Genau! Der Weihnachtsstern offenbarte den drei Weisen aus dem Orient das Kommen eines unsterblichen Königs. Auf den ersten Blick kein böses Omen, sondern eine Verheißung, die aber andererseits den Söhnen Israels das Leben kostete, weil Herodes Antipas alle Knaben im entsprechenden Alter töten ließ«, erklärte der Fremde.
»Und was jetzt? Soll ich den Weihnachtsstern suchen gehen?«, grummelte Sina.
»Nein, doch nicht den Weihnachtsstern, der war ein Dreigestirn. Aber den Himmelskörper, der dem Schottenmeister als Vorbild für seine Darstellung gedient hat.« Der Unbekannte schwieg einen Moment. Im Hintergrund hörte man einige Stimmen. Rasch fuhr er fort: »Ihr Freund Wagner ist schneller, als ich dachte«, meinte er respektvoll. »Na ja, wie auch immer. Hören Sie mir jetzt gut zu. Am 9. Juni 1456 erschien am Himmel über dem Heiligen Römischen Reich der Halleysche Komet. Kaiser Friedrich hat ihn gesehen, der Maler hat ihn gesehen. Finden Sie den Herrscher, der den Kometen zweitausend Jahre vor Friedrich beobachten und dokumentieren hat lassen und der ein ewiges, bis heute existierendes Reich errichtet hat, Professor Sina, und Sie werden verstehen, wohin die Reise geht. Ich wünsche Ihnen viel Glück!« Diesmal klang es aufrichtig. »Ich bekomme hier
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