Ewig

verfinstert, ich bin meines Lebens nicht mehr sicher, sie ziehen ihre Kreise enger und ich habe nicht mehr viel Zeit. Darum habe ich beschlossen, die Ergebnisse meiner lebenslangen Suche niederzuschreiben, damit Du einen Eindruck davon bekommst, worauf ich in meiner unglaublichen Naivität und Leichtfertigkeit gestoßen bin.
    Die Büchse der Pandora habe ich geöffnet, ohne zu wissen, was mich darin erwartet. Ich war betört von ihrer Schönheit, ihren verheißungsvollen Lippen. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass die Götter den Tod für mich in ihrer Schatulle versteckt haben. Du warst klug genug, zu durchschauen, dass Eleonore den Schlüssel für Dich aufbewahrt hat und Pandora mit ihrer Büchse den Zugang bewachte. Aber das ist nur der Anfang.
    Darum, zu Deinem eigenen Wohl, kehre um und verbrenne den Brief. Aber die Macht, die Gier oder die Sucht werden Dich weitertreiben, wie auch ich ein Getriebener war. Darum hoffe ich für Dich, dass Du ein wahrhaft Suchender bist, keiner, der nur auf seinen Vorteil oder kurzfristigen Gewinn aus ist. Denn dieser Weg wird Dich verändern, diese Pilgerfahrt wird Dich läutern oder direkt in die Hölle stürzen.
    Vielleicht hast Du sie schon bemerkt, die Schatten, die um Dich streichen, die Dich beobachten und jeden Deiner Schritte überwachen. Vielleicht haben sie Dich ausgelacht, weil Du verzweifelt auf die nächste Wachstube gegangen bist, Dir sicher warst, jemand sei in Deine Wohnung eingedrungen, hätte Dich verfolgt oder Dein Telefon angezapft. Aber lass Dich nicht beirren, Dich nicht ins Bockshorn jagen! Du hast Recht, sie sind da! Sie sind Dir schon auf den Fersen! Hüte Dich vor den Pfaffen und ihren balsamischen Reden! Meide das Drachenviereck!
    Wenn Du Dich jetzt fragst, wovon ich rede, dann wirf den Zettel weg und lache über mich. Solltest Du aber verstehen, dann lies und lauf! Denn ab jetzt bist Du auf der Flucht für den Rest Deines Lebens.
    Alles hat für mich angefangen, als ich in jungen Jahren begann, mich mit Kaiser Friedrich II, dem Hohenstaufer, zu beschäftigen. Ich war fasziniert von seinem Wirken, seinem glanzreichen Hof und seinem Kastell del Monte, diesem steingewordenen Abbild der achteckigen Kaiserkrone, des himmlischen Jerusalems und dem Reich Gottes auf Erden. Mit ihm beginnt das große Geheimnis.
    Tapsig und unbeholfen, mit dem Verstand eines Säuglings, bin ich in seine Welt eingetaucht. Dieses Eintauchen war der Beginn meiner Höllenfahrt! In welch illustre Gesellschaft ich mich auf diesem Engelsturz begeben habe, offenbarte sich mir erst später. Der Beginn des Geheimnisses jedoch ist ein Geschenk. Ein Präsent von sehr weit her, bestehend aus drei unscheinbaren Steinen.
    Es gibt eine altitalienische Legende, in welcher der Priesterkönig Johannes Kaiser Friedrich II. auf die »Probe« stellt. Der Priesterkönig, Symbol für den priesterlichen und königlichen »Herrn der Welt«, übersendet Friedrich, den er als »Spiegel der Welt« bezeichnet, durch einen Boten drei Steine und lässt an ihn die Frage stellen, was er für das Beste auf Erden hält. Darauf antwortet dieser: »das Maß«, nimmt jedoch alle drei Steine, ohne nach ihren Kräften zu fragen. Daraus folgert Johannes, der »Kaiser sei weise in Worten, aber nicht in Taten«, weil er nicht nach den Kräften der Steine gefragt hatte, die zwar so unscheinbar im Aussehen, aber so besonders in ihren Kräften waren.
    Oftmals wird in den Legenden vor allem ein Stein betont, ein »Stein, der nicht ein Stein ist«. Dieser Stein sei nur auf dem Gipfel des höchsten Berges – des polaren Bergs der Mitternachtssonne – zu finden, er ist der lapis elixier, der die Schwärze (nigredo) einer Reinigung (albedo) unterzieht, um sich im königlichen Rot (rubedo) zu vollenden. Dieser Stein der Weisen ist der Stein der königlichen Kunst, die sich in der Abfolge der alchemistischen Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot entfaltet.
    Nun, die Legende erzählt weiter, dass nach seinem Tod in der Blüte seiner Jahre Friedrich in den Ätna geritten sei, wo er bis heute darauf wartet, wiederzukommen. So wartete man gemäß der Prophezeiung auf den dritten Kaiser Friedrich, um das Reich zu erneuern. Aber eine Warnung schreckte alle: Sein Erscheinen werde mit dem Untergang der Welt, der Apokalypse, zusammenfallen. Und dieser Friedrich war Friedrich III., dem das Geheimnis offenbart wurde und der in fünf unscheinbaren Buchstaben das Wissen der Welt vor vorwitzigen Blicken verbarg.
    Aber ich habe den Schleier der